Autograf: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (D-LEsta), Sign. 21070 C.F. Peters, Leipzig, Nr. 850, Bl. 247f.
Druck: Horst Heussner, Die Symphonien Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, Anh. S. 52ff. (teilweise)

Sr. Wohlgeb. Herrn Carl Böhme in Leipzig.


Cassel den 13ten
Januar 1854.

Hochgeehrter Herr,

Empfangen Sie meinen besten Dank für die gütige Übersendung der 3 Clavierauszüge von Faust. Die Ausstattung hat mich in der That überrascht, und ich glaube kaum, daß es einen andern Clavierauszug geben wird, der diesem in äußerer Schönheit und Correktheit gleichkommt! –
Auf den, in Ihrem geehrten Schreiben ausgesprochenen Wunsch, daß sich die, zwischen Ihrer Firma und mir bestandene Geschäftsverbindung erneuern möge, bin ich gern erbötig einzugehen, da, so viel ich mich erinnere, nicht ich es war, der sie abbrach. Doch wird es mit meinen Kompositionsarbeiten wohl so ziemlich am Ende seyn, da ich mich, obgleich sehr rüstig für meine Jahre, doch nur noch selten gedrängt fühle, etwas Neues zu schreiben. So sehe ich so eben aus dem Verzeichniß meiner Kompositionen, daß ich in den drei letzten Jahren, in jedem nur eine einzige Arbeit zu Stande gebracht habe: 1851, ein Violinquartett, 52, die Rezitative zu Faust, und 53, ein Septett, welches in diesen Tagen im Gewandhaussaal zu Leipzig1 aufgeführt seyn wird. Es handelt sich daher mehr um Manuscipte, die ich in den letzten Jahren zurückbehalten habe, um sie allein zu haben und zu spielen, als um neue Kompositionen. Doch bin ich auch gern erbötig, Ihrem Wunsche gemäß, auch noch ein Heft Violinduette von mäßiger Schwierigkeit zu schreiben, da dies eine Arbeit ist, die mich interessirt.2 Wollen Sie nun der Verleger dieser Manuscripte der letzten 5 oder 6 Jahre werden so muß ich noch die Bedingung stellen, daß Sie sie sämtlich nehmen, jedoch nicht auf einmal, sondern im Bezug auf die Zeit der Herausgabe ganz nach Ihrer Bequemlichkeit. Es sind folgende, und setze ich meine Honorarforderung sogleich dabey:

                                                                                  Honorar
8te Sinfonie für großes Orchester _ _
Rondoletto für Pianoforte                                            30 Rth.
3 Lieder für zwei Soprane mit Pianoforte,                   50 -
7tes Quintett für 2 Violinen, 2 Violen und Violoncell   100 -
3 Lieder aus „Tausend und ein Tag“ von Bodenstedt
mit Pianoforte                                                             50 -
6 Salonstücke für Violine und Pianoforte 3tes Heft    150 -
32stes Quartett für 2 Violinen, Viola und Violoncell    100 -
Septett für Pianoforte, Violine, Violoncell, Flöte, Clarinette,
Horn und Fagott                                                        150 -

Die Sinfonie schrieb ich im Auftrage der Philharmonischen Gesellschaft in London, deren Eigenthum sie auf ein Jahr war. Sie ist nun für die Herausgabe wieder mein Eigenthum, und ich verlange kein Honorar dafür, muß aber die Bedingung stellen, daß außer den Orchesterstimmen auch eine Partitur gestochen werde. Daß von der Sinfonie, dem Septett, dem Quintett oder Quartett jedes beliebige Arrangement gemacht werden darf, ist in dem Honorar mit einbedungen. Ich sehe nun Ihrer gefälligen Erklärung entgegen, ob Sie den Verlag sämtlicher Manuscripte übernehmen wollen.
Für die gütige Mittheilung der Operndichtung von Kind bin ich Ihnen sehr verbunden. Ich habe noch nicht Zeit gefunden, sie genau durchzusehen. Doch werde ich mich selbst wohl schwerlich zu einer so großen Arbeit, als die Komposition einer Oper ist, nochmals entschließen können, besonders in einer Zeit, wo so verkehrte Begriffe über dramatische Musik grassiren, und die junge Generation nur das Heil von der Zukunftsmusik hofft.
Eine Abschrift der Orchesterstimmen von der Arie Nro. 16 in Faust, zur Herausgabe als Concertarie, steht gegen ein Honorar von 15 Rth. zu Diensten.
Für Ihre freundliche Einladung für nächsten Sommer während der Zeit, wo Herr Kalliwoda Sie besuchen wird, meinen besten Dank! Ich werde aber die nächste Ferienzeit zu einer Reise in die südliche Schweiz benutzen, und daher Leipzig nicht berühren. Sobald ich aber wieder in Ihre Nähe komme, werde ich nicht versäumen, Sie aufzusuchen.
Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr ergebener
Louis Spohr3



Dieser Brief ist die Antwort auf Carl Gotthelf Siegmund Böhme und August Theodor Whistling an Spohr, 07.01.1854. Böhme beantwortete diesen Brief am 16.01.1854.

[1] Zum Konzert am 31.03.1854 vgl. F.G., „Leipzig. Sechstes und letztes Abonnement-Quartett“, in: Neue Zeitschrift für Musik 40 (1854), S. 162; „Leipzig, 31. März. Sechstes Abonnements-Quartett“, in: Niederrheinische Musik-Zeitung 2 (1854), S. 112.

[2] Aus dieser Anregung entstanden die Duos op. 148, 150 und 153.

[3] Auf der letzten Seite des Briefes befindet sich von anderer Hand der Eingangsvermerk des Verlags: „ Cassel am 13 Jan. 1854 / Louis Spohr / empf. 14 dM “.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (24.03.2017).