Autograf: Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main (D-F), Sign. Mus. Autogr. A. Schmitt A 161

Seiner Wohlgeboren
Herrn Capellmeister L. Spohr
in
Cassel.


Hochgeehrter Freund!

Bevor ich das Motiv berühre, welches mir heute die Feder in die Hand giebt, sei vor allen Dingen erst mein Dank ausgesprochen für Ihren letzten, lieben Brief, der mich in der That u. Wahrheit wieder ganz aufrichtete u. erfrischte.
Die Zeitverhältnissen, der Wirrwarr und die Zerwüfnisse in Allem, so wie die Richtung u. das Treiben in unserer Kunst [???] - hatte mir einen so entsetzlichen Ekel beigebracht, daß ich hätte Feuer unter meinem(?) Schrank machen können, hätte mich nicht mein Gewissen davon abgehalten: das Mark und Blut von 30 Jahren zu zerstören, wovon mich – wiegesagt – Ihr lieber, vortrefflicher und für mich so trostreicher Brief abhielte. Tausend Dank dafür!
Doch genug davon! Dieß Capitel ist zudem ein so trauriges für mich, daß ich immer abbrechen – u. andere Seiten aufziehen muß, um nicht ganz u. gar mißstimmt zu werden.
Und nun zur Hauptsache, warum ich Ihnen heute schreibe!
Von meinem Sohn, Georg Aloys, habe ich Ihnen jüngst geschrieben. Er ist im Augenblick ohne Stelle, und wenn ihm auch mehrere Stellen an kleinen Theaters angetragen sind, wie z.B. in Coblenz, Trier und früher in Zürich – wo man ihn sehr gern als Musikdirector gehabt hätte, so war ich doch nicht dafür, daß er ferner sein Talent u. seine Zeit umso kleinen Theaters verschwenden soll, zu dem, da er sich Routine genug erworben hat.
Nun laß ich, daß der alte Tonmeister, Friedrich Schneider in Dessau mit Tod abgegangen sei, wo denn dessen Stelle frei und erledigt ist.
Da Sie sich, hochverehrter Freund, gütigst erboten haben, Sorge tragen zu wollen, wenn eine Stelle frei würde, so wäre dieß wohl eine Gelegenheit, meinem Sohne für eine stelle zu verhalten, welches Ihnen – da Ihr Name und Ihre Empfehlung so unendlich gewichtig ist – vielleicht ein Leichtes ist. Für den Fall, als Sie geneigt dazu wären, woran ich gar nicht zweifle, so halte ich es – da Sie meines Sohnes jetzige Leistung nicht genauer kennen – für nöthig u. zweckmäßig: Ihnen etwas Näheres über meinen Sohn zu berichten.
Daß mein Sohn, Georg Aloys, in Ulm, Würzburg und Coblenz Director an den drei Theater war, und die Opern dort dirigirte, und zwar mit wirklich großem Erfolg, so: daß alle begeistert von ihm u. seiner Führung u Direction waren, u. noch sind, wissen Sie, glaub‘ ich. Marschner sagte einst von ihm: er sei ein verborenes Dirigigenie. - Sie wissen: Marschner macht wenig Federlesens in der Regel, u. lobt nur im höchsten Falle. -
Daß mein Sohn, außer seinem Dirigirtalent – ein ausgezeichneter Clavierspieler – und unter den jungen Componisten, vielleicht der Beste ist (was nun freilich wenig sagen will) kann und darf ich Sie versichern, so wie: daß derselbe, hinsichtlich wissenschaftlicher Bildung, so hoch steht, daß gewiß ein jedes Institut sich freuen muß, einen in jeden u. allen Hinsicht so ausgerüsteten Dirigenten an der Spitze zu haben. - Noch so manches Schöne u. Gute könnte ich von ihm hier noch anführen, aber – selbst gegen den hochverehrten, gütigen Freund, will ich mich zurückhalten. Nur einen Fehler hat mein Sohn: er ist zu edel und zu gut für die Welt, namentlich wie sie jetzt ist!!!
Wenn Sie etwas für ihn thun wollen, so dürfen Sie überzeugt sein, daß Sie es einem Berufnenen u. Würdigen thun.
Daß ich zu stolz bin, mich irgend an jemand diesfalls zu wenden, müssen Sie mir verzeihen. Wär es nicht mein Sohn, so wär‘s etwas anderes. Selbst nicht einmal entschliesen kann ich mich, die Gnade u. die Beantwortung Ihrer K. Hoheit der Frau Prinzessin von Preußen, anzusprechen, so sehr ich auch weiß, wie hoch dieselbe das Talent meines Sohnes hält. -
Freilich müßte – wenn etwas geschehen soll, es bald geschehen, die ich mir denken kann, daß es an Bewerber nicht fehlen wird in Dessau. Ihre Güte sei es über lassen.
Was sagen Sie dazu, daß ich heute in einem öffentlichen Concerte spiele? Ich konnte es H. Eliason nicht abschlagen, umso weniger, als man sagt: derselbe mache das auch ein gutes Concert.
Die letzten 3-4 Wochen war ich sehr leidend u. lag mehr zu Bette als ich auf war. Noch bin ich nicht hergestellt, u. spiele doch! H. Eliason hat 4 Kinder u. einen schlechten Gehalt!!! was thut man nicht da alles!
Mit nächstem hoffe ich Ihnen eine Sendung Musik zu schicken, nur erst wieder ganz wohl sein! Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin bitte ich mich vielmals zu empfehlen. Mit einiger, hoher Verehrung bin und bleibe ich, ihr treuergebener

Freund Aloys Schmitt.

Frankfurt a/m den 8ten December 1853.

Autor(en): Schmitt, Aloys
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Eliason, Eduard
Marschner, Heinrich
Schmitt, Georg Alois
Schneider, Friedrich
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Dessau
Frankfurt am Main
Erwähnte Institutionen: Stadtheater <Würzburg>
Theater <Koblenz>
Theater <Zürich>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1853120845

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Schmitt. Spohr beantwortete diesen Brief am 09.12.1853.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (27.02.2018).