Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Mylius:4

Ffrt a/m den 9t Nov 1853

Verehrter Freund,

Sehr erfreulich war mir aus Ihrem lieben Schreiben vom 30 Sep zu ersehen daß Sie die Idee, die Music des Prometheus in eine Oper umzuwandeln, nicht nur nicht verwerfen sondern auch gerne bereit sind in der Sache zu arbeiten und einzuleiten sobald Sie sich von der Ausführbarkeit überzeugt haben.
Seit Empfang Ihres Briefes habe mir alle erdenkliche Mühe gegeben mir die Auskft1 über die Partitur u den Text (den Inhalt des Balletts bezeichnend) die Sie zu haben wünschen, zu verschaffen. Die Andresche Handlung, die ich, ohne Sie geehrter Freund zu nennen, hat an die geeigneten Verlagshandlungen darum zu schreiben da sie selbst gar keinen Bescheid darüber geben konnte, betrieb die Sache Anfangs etwas saumselig und hat erst jetzt den Clavierauszug mit Violin erhalten, den ich mich nun beeile Ihnen beikommend zu behändigen und der sonder Zweifel Sie in den Stand setzen wird zu beurtheilen, ob die Composition viele Melodien enthält die sich für den Gesang der Menschen Stimme eignen und ob die Form der Musicstücke von der Art ist daß sich Opernstimmen daraus bilden lassen. Ist dieses der Fall, so bitte Sie mir zu sagen was Sie weiter bedürften und wohin und an wen ich mich deshalb zu wenden habe oder wollten Sie sich der Mühe unterziehen selbst an die geeigneten Orten zu schreiben, so würden wir vermöge Ihres Nahmens und Stellung um so eher zum Ziel gelangen.
Zufolge dem was man (ich glaube Peters in Leipzig) an Andree schreibt, sollte man glauben es sey sehr schwer die Partitur u noch schwerer den Inhalt des Balletts zu erlangen. Ich kann aber nicht anderes glauben als daß Andree sich nicht an die rechte Quelle gewandt! welchen Anklang die Music in früheren Jahren gestanden, geht m. Erachtens schon daraus hervor daß, wie aus dem Breitkopf’schen Catalog der Beethov’schen Werke zu erfahren ist, die Geschöpfe des Prometheus Op 43. in 18 No bestehend, auf alle mögliche Art arrangirt, bey Witzendorf in Wien, Simrock, Peters u. a. erschienen sind!
Den Inhalt des Balletts anlangend, so erlaube mir die Frage ob ich den Fall daß darüber gar nichts ausfindig gemacht werde, Sie solches entbehren können und den Aufruf an Dichter diesen die Wahl des zu behandelnden Gegenstandes überlassen.
Ihre Bemerkung daß der Dichter der den Text zu dieser neu zu schaffenden Oper schreiben soll, auch ein tüchtiger Componist seyn muß, ist mir ganz einleuchtend. Richard Wagner wäre wohl der Mann dazu! –
Da es, wie Sie treffend bemerken, besonders darauf ankommt, daß sich Oper No daraus bilden lassen, so erlaube mir die Bemerkung ob falls sich unter den 18 No einige finden, die es nicht sind, es zweckmäßig wäre diese wegzulassen und da dadurch die zu umwandelnden No im so kleiner würde, sich auf eine große einactige Oper zu beschränken?!
Es wäre mir zwar solches leid denn wenn der Plan aus dem herrl. Werke eine Oper zu machen, zu Stande käme, so wäre schade auch nur einen Tact davon wegzulassen. Ließen sich nicht diejenigen No deren Melodien sich nicht für den Gesang der Menschenstimme eignen, dennoch beibehalten und zu in die Oper einzulegenden Tänzen verwandeln? –
Haben Sie nun die Güte alles mit Muße zu prüfen und mir den Erfolg sobald als möglich mitzutheilen, auch zu sagen ob und was ich in der Sache weiterzuthun habe.
Bedürften Sie nur zur Betreibung derselben des beikommenden Auszugs oder hat er, auch wenn Sie meine Idee nicht für ausführbar halten, dennoch einigen Werth für Sie, so gereicht es Ihnen zum Vergnügen Ihnen denselben zu überlassen, mich der Hoffnung hingebend Ihnen oder den Ihrigen dadurch zuweilen einen genußreiche Stunde verschafft zu haben.

In aufrichter Achtung
ganz der Ihrige
Carl Mylius

Autor(en): Mylius, Carl
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Beethoven, Ludwig van : Die Geschöpfe des Prometheus
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: André <Offenbach>
Peters <Leipzig>
Simrock <Bonn>
Witzendorf <Wien>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1853110947

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Mylius, 30.09.1853. Spohrs Antwortbrief ist derzeit ebenfalls verschollen.

[1] Sic!

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.12.2023).