Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

München 7 Octb. 1853

Hoch geehrter Herr Kapellmeister!

Ich nehme mir die Freiheit Ihnen meine Einladung zur großen Gesangschule für Deutschland zu übersenden und bitte um die Ehrevolle Erlaubniß, Sie unter meine Subscribenten zählen zu dürfen. Mit der größten Aufopferung betreibe ich die Herausgabe dieses Werkes, welches noch im Laufe dieses Jahres erscheinen wird und hoffe um somehr, daß Sie meine Bitte nicht abschlagen werden, als es sich um eine durchgreifende Reform handelt, die von den segensreichsten Folgen für die ganze singende Welt begleitet seyn muß.
Roger verkündet eine vollständige Umwälzung im Gesang1, Kapellmeister Stunz hat dem Ministerium ein Parere2 eingereicht daß mein System durchaus neu ist und die größte Beachtung verdient und eine Commission soll über Einführung meiner Gesangschule im Königreich und im Conservatorium berathen, wenn es nicht schnöde hintertrieben wird.
Von allen Seiten empfange ich schmeichelhafte Briefe voll Anerkennung und Aufmunterung und einen Schüler habe ich der in drey(?) Monathen wie die Leute sagen Staunenerregendes leistet, so daß täglich meine Unterrichtsstunde von Neugierigen und Männern vom Fach aufgesucht wird.
Dagegen fehlt es nicht an einer widrigen Kaste von Gegnern und Herr Lachner der ja bekanntlich nichts Großes hier aufkommen läßt und an den ich doch durch Roger persönlich empfohlen bin, scheut sich nicht Alles aufzubieten um meine Reform zurückzuhalten. Unterdrücken läßt sich so etwas heut zu Tage nicht mehr! mein Streben ist edel und rein! und meine Sache ist aecht(?) und gut!
Deshalb wende ich mich an auswärtige große Musiker, welche zu hoch stehen, um partheiisch zu seyn und hoffe auf Sie, verehrter Herr, der Sie Großes in Ihrem Leben geschaffen und gewirkt haben, werden mich unterstützen.
Sollten Sie mir unter Ihrem Einfluß noch einige Subscribenten verschaffen können so bleibe ich Ihnen dankbar verbunden.
Jedenfalls hoffe ich bald recht bald mit ein paar Zeilen von Ihnen beehrt zu werden zeichne hochachtungsvoll ergebenst

Friedrich Schmitt

Utzschneider Straße No 8.

Autor(en): Schmitt, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Lachner, Franz
Roger, Gustave-Hippolyte
Stunz, Joseph Hartmann
Erwähnte Kompositionen: Schmitt, Friedrich : Gesangschule
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1853100744

Spohr



Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] „Die Richtung, welche Herr Schmitt den Gesangstudien gibt, wird früh oder spät eine Verbesserung, ich möchte behaupten, eine vollständige Umwälzung in der Gesangskunst herbeiführen“ (Gustave-Hippolyte Roger an Franz Lachner, 24.07.1853, in: Friedrich Schmitt, Einleitung zur großen Gesangschule für Deutschland, München 1853, S. 8).

[2] „Parere, it. Ksspr. das Gutachten, Gutdünken, die Meinung“ (Gedrängtes Deutschungs-Wörterbuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter, entstellenden fremden Ausdrücke zu deren Verstehen und Vermeiden, hrsg. v. Friedrich Erdmann Petri, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 331).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (17.09.2019).