Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Mylius:3
Hochzuverehrender Freund!
Daß ich diesen Sommer nicht das Vergnügen hatte Sie bey mir zu sehen, bedaurte ich in mehrfacher Hinsicht: ich hatte meine Reise nach Mailand, von der ich kürzlich zurückgekommen, in der Hoffnung verschoben von einem Tage zum andern zu vernehmen daß Sie von England Ihren Rückweg über hier würden machen können! Da ich leider voraussehe daß es uns so bald nicht vergönnt seyn wird Sie hier zu sehen, so will ich nicht länger anstehen Sie schriftlich über einen Gegenstand zu befragen, überzeugt daß niemand solchen besser erwägen kann als Sie, zugleich aber auch bittend die ganze Sache auf den Fall für sich zu behalten daß Sie solche für verwerflich oder nicht ausführbar halten.
Es betrifft nämlich die wahrhaft classische Music Beethovens zum Ballett Prometheus. Als ich v. Frühjahr nach langer Unterbrechung Anlaß nahm dieses Werk (Piano u Violin) wieder einmal1 durchzusehen, konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren wie jammerschade es sei die vortreffliche Composition so ganz u gar vergraben zu sehen, denn auch als Ballettmusic wurde sie meines Wissens wenig mehr benutzt und entspann sich durch derart. Betrachungen bei mir die Idee ob nicht durch Aussetzung eines Preises von etwa 50 Ducaten oder auch mehr, ein classischer Meister zu finden wäre der natürlich auch der Composition kundig, befähigt wäre durch Bearbeitung eines gediegenen Textes die meisterhafte Partitur in eine Oper umzugestalten, wie es ihrer, seines an Lieblichkeit der Melodien oder Reichthum der Harmonie, besonders aber an dramatischen Effect, wenige geben dürfte.
Sie werden, verehrter Freund, über den vielleicht tollen Gedanken lächeln! wenn es ein solcher ist, so kann ich mich nur damit vertheidigen daß ich in meiner Einfalt mir nichts schöneres, für eine wahrhaft große heroische Oper geeigneteres denken kann als was die meisten Nummern der alle Leidenschaften so schön bezeichnenden Partitur Beethovens uns darbieten! – Die Schwierigkeit sie zu einer Oper zu umbilden sehr wohl einsehend, kann ich mich dennoch nicht recht überzeugen daß solche nicht zu überwinden seyen. Jedenfalls appelire ich an Sie mit der angegebenen Bitte daß, wenn Sie meiner Vorstellung auf irgend eine zweckmäßige Art für ausführbar halten, Sie:
1s einen angemessenen Aufruf an Dichter u Componisten ergehen lassen und daß:
2s Sie gütigst einwilligen mit 2 oder 3 anderen gleich competenten, von Ihnen zu ernennenden Männern eine Commission zu bilden, bey welcher s. Zeit die anonym zu liefernden Arbeiten einzureichen sind und welche durch StimmenMehrheit zu entscheiden hat, ob überhaupt und welcher der ausgesetzte Preiß von 50 Ducaten zu dediciren ist!
Ob, um etwas gediegenes zu bewirken, zweckmäßig wäre einen höheren Preiß zu bestimmen als die Summe, die ich mit beiläufig auszusetzen vorgenommen, darüber werde mich gern belehren lassen sowie auch Ihrem besseren Dafürhalten anheim stelle ob die Bedingung hinzugefügt werde, daß der auszusetzende Preiß, theils oder ganz, nur, nachdem die Oper auf einer unserer bedeutenderen Bühnen mit gutem Erfolg gegeben worden, zu entrichten wäre?!
Wenn ich mich mit meinem Anliegen an Sie zu wenden wage, so bedarf es keiner Versicherung daß mir die Überzeugung wie Sie, verehrter Freund, die Sache einsichtsvoll behandeln u Sie, wie mir seit jeher bekannt, bereit sind, alles gemeinnützig gute, zu befördern, mich, veranlassen konnte Sie damit zu behelligen!
Heute frühe beerdigten wir die Wittwe Mendelssohns, die gute Frau war Enkelin meines ehemaligen Associé Souchay u hinterlässt 4 Kinder zarten Alters. Weber von Cöln, Hiller &c wohnten dem Leichenzuge bei.
Ihrer Frau Gemahlin mich bestens empfohlen haltend, verbleibe ich in aufrichtiger Achtung
Ihnen dankbar ergeben,
Carl Mylius
Frankfurt a/m
Maynzer Chaussée
28/9/53
Autor(en): | Mylius, Carl |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Hiller, Ferdinand Mendelssohn Bartholdy, Cécile Weber, Franz |
Erwähnte Kompositionen: | Beethoven, Ludwig van : Die Geschöpfe des Prometheus |
Erwähnte Orte: | Mailand |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1853092847 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Mylius an Spohr, 19.04.1853. Spohrs Antwortbrief vom 30.09.1853 ist derzeit verschollen.
[1] „wieder einmal“ über der Zeile eingefügt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.12.2023).