Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Karlsruhe den 30ten Aug. 1853.
Hochgeehrtester Herr!
Mein Schreiben1 von St. Georgen mit beiligender 4stimm. Chor Fuge in C werden Sie s.Z. Erhalten haben? –
Ich bin nun im Stande, Ihnen etwas Gewisses über mein Stipendium sagen zu können und säume keinen Augenblick es zu thun. –
Nachdem mir das Abwarten einer entscheidenden Antwort von Karlsruhe aus endlich im höchsten Grade peinlich und beunruhigend wurde, so hatte ich mich am 15ten d. M. hieher begeben, um bei meinem Onkel2 hier eine Entscheidung abzuwarten. – Nachdem ich bei Pontius u. Pilatus herumgewandert, habe ich es endlich vor einer Stunde erfahren können, daß Großh. Ministerium d.I. In der heutigen Sitzung, durch „Ihr, mir ausgestelltes Zeugniß“3, bewogen, beschlossen habe, mich zu meiner Zufriedenheit zu unterstüzen. Da der Antrag noch in's Staats-Ministerium zur Genehmigung zu gehen hat, was warscheinlich nächste Woche noch geschehen wird, so wird aus der Sache vor der Hand noch ein Geheimniß gemacht. Ich konnte deßhalb die Summe, die ich erhalten werde, noch nicht in Erfahrung bringen.
Ich zweifle nicht daran, daß es auch Ihnen Freude machen wird, zu erfahren, daß ich nun in ganz kurzer Zeit im Stande sein werde, in Kassel zu erscheinen, um unter Ihrer Leitung ein, bereits in allen Theilen planirtes Werk für Kammer-Musik componiren zu können, wovon ein kleiner Theil bereits zur Reinschrift vollendet ist, und Ihnen ein paar Tage nach meiner Ankunft in Kassel zur Correctur vorgelegt werden kann. Das Ziel, das ich mir hiebei vor Augen sezte, habe ich erreicht. Es hat zwar, beim Ueberdenken der Anlage des Ganzen u. jedes einzelnen Theils seine zahlreichen Anstöße und Bedenken gehabt, die aber durch monatlange Ausdauer und unermüdlichen Fleiß endlich gehoben sind. Unendliche Freude bringt mir deßhalb der Gedanke, daß ich durch meine fortgesezten Anstrengungen endlich dahin gelangt bin, Ihnen für Ihr beispielloses Wohlwollen und Ihre edle – echt künstlerische – Theilnahme an meiner musikalischen Fortbildung endlich einen längst angestrebten Dank musikalisch erstatten zu können. – .
Die Geduld, mit der ich seit September bis jezt, in steter, aufgeregter Gemüthsstimmung mein zweifelhaftes Schicksal erwartete – sucht jedenfalls Ihres Gleichen. Ich glaube aber auch nicht, dass ein junger Künstler mit größerer Hochachtung, mit mehr Begeisterung für seinen verehrten, großen und ausgezeichneten Meister, je geschwärmt hat.
Mit Jubel werde ich deßhalb das neue Jahr begrüßen, und wünsche – schließlich – auch Ihnen aus voller Seele – Glück!
In der sehr freudigen Hoffnung, Sie bald „selbst“ zu begrüßen,
bin ich
Ihr innigst ergebener
u. ewig dankbarer
F.J.A. Keppner.
Autor(en): | Keppner, Franz Joseph (Sohn) |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Keppner, Ignaz Keppner, Joseph |
Erwähnte Kompositionen: | Keppner, Franz Joseph : Chorfugen |
Erwähnte Orte: | Karlsruhe |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1853083046 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Keppner an Spohr, 01.08.1853. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Keppner an Spohr, 04.04.1854.
[1] Noch nicht ermittelt.
[2] Im Adresskalender für die Residenzstadt Karlsruhe von 1853 ist als einziger Träger des Namens Keppner ein „Reg.-Registr. a.D.“ vermerkt (S. 34), bei dem es sich um Ignaz Keppner handeln dürfte (vgl. Vollständige Sammlung der Großherzoglich Badischen Regierungsblätter von deren Entstehng 1803 bis Ende 1833, Bd. 2, Karlsruhe und Baden 1834, S. 737; „Todesfälle“, in: Staatsanzeiger für das Großherzogthum Baden (1878), S. 20). Möglicherweise ist mit dem Onkel jedoch der Adressat einer Kleinanzeige vom Beginn des Jahres gemeint: „Herr Joseph Keppner aus Karlsruhe wird gebeten sich zu seinem Neffen Franz Keppner, Musiker, behufs einiger Mittheilung zu begeben“ (Münchener Anzeiger (1853), S. 71).
[3] Dieses Zeugnis ist derzeit verschollen.
Kommentar und Verschlagwortung, sofern in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Wolfram Boder (21.10.2019).