Marianne Spohr, Tagebuch von der 5ten englischen Reise im Sommer 1853
Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 2.2.11, Bl. 11v-12r

Donnerstag d. 21st.

Morgens ½ 7 zum letztenmal mit Farre’s gefrühstückt, die dann mit schwerem Herzen von uns Abschied nahmen, als wir 7 Uhr die lange Reise durch die Stadt nach der Eisenbahn antraten, wo gleich nachher durch M. Sillem uns Lili Schwedes für die Rückreise übergeben wurde. 8 ¼ bis 11 mit dem Express train nach Dover, gleich auf’s Dampfschiff zur Ueberfahrt nach Calais, wo wir nach 1 ¾ St. wohlbehalten bei ziemlich ruhigem Meer ankamen, empfangen v. Hn. Isac-Olivier und Musikdirektor Neuland, die uns zur Douane geleiteten und dort bei der gräulich strengen und langweiligen Visitation beistanden und trösteten.1 Schöne wöhnliche Zimmer im Hotel „Buffet“. Bald darauf von den Herren nebst Hn. Lejeune wieder abgeholt zur Besichtigung des freundlichen ruhigen Städtchens, wo es mir sehr wohl gefiel: Kirche mit guten Bildern u.s.w.; Lokal der philharm. Gesellschaft mit schönem runden Concertsaal; Wohnung des Hn. Neuland mit schönen Gemälden; dann in das schöne große Haus des Hn. Isac-Ol., der uns zum Essen etc. eingeladen und uns seiner sehr freundlichen Cousine, die ihm seit dem Tod seiner Frau den Haushalt führt, vorstellte, auch in sein Attelier führte, und viele von ihm selbst gemalte Bilder, meist sehr ähnliche Portraits zeigte. 5 Uhr höchst brillantes Diner mit 16 Personen, die sämmtlich als ganz besondere Verehrer Spohrs bezeichnet wurden. – nach Tisch Alle in den sehr hübschen Garten beim hause mit vielen Blumen und schönem englischen Rasen zum Kaffee. Nach 8 allmälige Versammlung einer größeren Gesellschaft die eingeladen war, um Spohrs Bekanntschaft zu machen, großentheils Verwandte des Hn. Isac und angenehme freundliche Menschen. H. Jule Isac, Aug. Isac mit liebenswürdiger Frau, H. und Mad. Lejeune, H. Florimont, Notar Meunier aus Lille, H. Camille Dognin aus Lyon, etc. 9 Uhr wieder in d. Salon zum Thee, wo plötzlich als Ueberraschung für Spohr aus d. Nebenzimmer sein schönes Gm. Quartett ertönte, und Alle sehr entzückte. Gegen 10 empfahlen wir uns, sehr befriedigt von diesem Tag in Calais.2 H. Neuland begleitete uns und führte uns noch über den schön erleuchteten Markt, wo noch alle Läden offen, und Käufer in Mengen.

Autor(en): Spohr, Marianne
Adressat(en):
Erwähnte Personen: Dognin, Camille
Farre, Arthur
Florimont (Herr)
Isaac, Auguste
Isaac, Jules
Isaac-Olivier
Lejeune (Frau)
Lejeune (Herr)
Meunier, Jean-Albert-Claude-Jules
Neuland, Wilhelm
Schwedes, Lilli
Sillem, Mine
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Quartette, Vl 1 2 Va Vc, op. 4
Erwähnte Orte: Calais
Dover
London
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1853072190

Spohr



[1] Vgl. Spohr an Wilhelm Neuland, 15.07.1853.

[2] Vgl. Louis Spohr, Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel 1861, S. 362.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.02.2020).