Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Susanne Haase, Der Bonner Komponist Wilhelm Neuland (1806-1889). Studien zu Leben und Werk (= Beiträge zur Rheinischen Musikgeschichte 154), Kassel 1995, S. 18f.

Calais den 11 July 1853.

Hochgeehrter Herr Capellmeister,

Ew Hochwohlgeboren werden verzeihen daß ich die Freiheit nehme einige Zeilen an Sie zu richten; ich wollte Sie nur über die Abfahrten der Dampfschiffe in Dover, und der Eisenbahnzüge in Calais benachrichtigen, damit Sie Ihre Rückreise über Calais nach Deutschland so angenehm wie möglich einrichten können.
Es fahren täglich drei Dampfschiffe von Dover nach Calais, nehmlich: um 11 Uhr Morgens, um 2 Uhr 30 Min. Nachmittags, und um 11 Uhr 15 Min. Abends. Die bequemsten Züge nach Deutschland gehen von Calais um 3 Uhr Nachmittags, um 2 Uhr Morgens und um 8 Uhr Morgens. Mit dem Zug welcher um 3 Uhr n.m. von hier abgeht, kommen sie (über Gent) nach Bruxelles um 10 Uhr 10 Min. Abends, und wenn Sie grade durch und nicht von Malines nach Bruxelles fahren, so kommen Sie Morgens um 5 Uhr nach Cöln. Der Zug um 8 Uhr Morgens von hier, bringt Sie über Gent nach Bruxelles um 4 Uhr nachmittags, nach Aachen um 9 Uhr Abends; und fährt man mit dem Schnellzuge Morgens um 2 Uhr von hier, so ist man in Bruxelles um 10 Uhr denselben Morgen, oder wenn man grade durch fährt und nicht nach Bruxelles, so kömmt man Abends um 6 Uhr nach Cöln; der Weg über Gent nach Malines ist der kürzeste und beste.
Herr Isaac Olivier, der President unserer Philharmonischen Gesellschaft durch welchen ich das große Vergnügen hatte in Calais Ihre werthe persönliche Bekanntschaft zu machen, hat erfahren daß ich die Freiheit nehmen wollte Ihnen die Abfahrten und das Ankommen der Dampfschiffe und der Eisenbahnzüge anzuzeigen, derselbe sagte mir, wie sehr er sich glücklich schätzen würde, Sie wie auch Ihre Frau Gemahlin zu einem kleinen Mitaggs-Essen einladen zu können, an welchem nur seine Familie und ein paar gute Freunde und Verehrer (wie Herr Isaac Olivier und ich) Ihres großen Talents und Ihrer edlen und schönen Werke, mit Theil nehmen würden.
Indem ich nun nicht gerne sähe daß Herr Isaac auf die Einladung welche derselbe wünscht an Sie zu adressiren, eine abschlägige Antwort erhielte, so habe ich mir erlaubt diese Gelegenheit zu benutzen um Ihre Meinung darüber zu erfahren, und Ihnen, geehrtester Herr Capellmeister, die Mühe einer negativen Antwort zu ersparen, im Fale dieses vielleicht nicht mit Ihrem Reiseplan übereinstimmen würde. Ich bitte Sie daher doch die Güte zu haben, und mich gefälligst mit ein paar Zeilen zu beehren, und mir zu sagen ob wir uns mit der Hoffnung schmeicheln können Sie bei Ihrer Rückreise einige Augenblicke in Calais zu besitzen, und ob die Einladung von Herrn Isaac Olivier Ihnen angenehm wäre im Falle er dieselbe Ihnen schriftlich zusendet1 (wenn es die Zeit erlaubt) oder mündlich an dem Schiffe bei Ihrer Ankunft in Calais an Sie richtet. Sollten Sie uns die Ehre und das große Vergnügen gewähren einige Augenblicke hier in Calais zu verweilen, und die Einladung meines Freundes Herrn Isaac Olivier annehmen2, so bitte ich Sie die Gefälligkeit zu haben und mich über Ihre Abreise von London zu benachrichtigen. Mit der größten Hochachtung zeichnet

Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster
W. Neuland
Musikdirektor
in Calais

NB. Um von Dover um 11 Uhr Morgens nach Calais zu fahren, muß man in London mit dem Zug um 8 Uhr Morgens abgehen.

Autor(en): Neuland, Wilhelm
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Isaac-Olivier
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Brüssel
Calais
Dover
Gent
Köln
Erwähnte Institutionen: Société philharmonique <Calais>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1853071145

Spohr



Spohr beantwortete diesen Brief am 15.07.1853.

[1] Isaac Olivier wartete Spohrs offensichtlich nicht ab (vgl. Isaac Olivier an Spohr, 17.07.1853).

[2] Zum Zwischenhalt in Calais vgl. Tagebucheintrag Marianne Spohr, 22.07.1853; „Nr. 96 Wilhelm Neuland, Componist und Musik-Direktor, geboren zu Bonn“, in: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Album Velten, ediert in: Marion Lienig, Bürgerliche Musikkultur in Bonn. Das ‚Album‘ des Andreas Velten – eine Quelle zur Bonner Musikgeschichte aus dem 19. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 55), Bonn 1995, S. 237-241, hier S. 239f.; Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 362.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.09.2017).