Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Inhaltsangabe: Karl Traugott Goldbach, „Spohr’s London Students in 1820”, in: Spohr-Journal 41 (2014), S.2-5, hier S. 4

per U.S. Mail Steamer „Atlantis”
Paid
Dr. Louis Spohr
Maitre de Chapelle to H.R.H. the Elector of Hesse Cassel
Cassel
Germany
HGKuper1


Baltimore, Nord Amerika,
den 6ten Juni 1853

Hochverehrter Herr Hof-Kapellmeister!

Ihre viele schöne Compositionen aus der neuesten Zeit haben mir, Ihren enthusiastischten Verehrer und Schüler, so vielen Genuß verschafft, ich ich nicht umhin kann Ihnen meine Anerkennung von dern Neuen Welt aus darzubringen, herzlich hoffend daß Sie im Genuß der besten Gesundheit jetzt sind undstets genesen sind seit der glücklichen Zeit wo ich noch in Ihrer Nähe lebte. - Von 1844 bis 1852 lebte ich als Britischer Consul in Helsingör woselbst keine Rede seyn konnte von guter Musik noch weniger von Quartetten. Indessen fühlte ich den stärksten Drang in mir Ihre herrlichen Quartette nicht ganz aus dem Ohr zu verlieren, und so kam ich dann auf den Einfall sie sämtlich für Pianoforte und Violine einzurichten. In dieser ungenügenden Form hatten wir (meine Frau und ich) wenigsten das Vergnügen die wohlbekannten Meisterwerke nicht ganz zu vermissen, und sie gereichten uns während des langen Winters manchen genußreichen Abend. Eben so Ihre herrliche Duetten für Klavier und Violine, worin meine Frau die Klavier Partie meisterhaft spielt.
Seit 4 Monaten bin ich nun hier, - d.h. in dem unmusikalischten Lande der civilisirten Welt. Glücklicherweise sind hier Tausende von Deutsche, worunter manche braven Musiker; unter anderem ein Schüler von Ihnen namens Marr. Auf diese Art habe ich ein sehr tüchtiges Quartett, ja sogar doppel Quartett zu Stande gebracht, und wir kommen jede Woche ein oder zweimal zusammen, - und es werden denn alle die besten Meisterwerke gut aufgeführt. Ich besitze jetzt alle Ihre Compositionen bis zu op. 140 (inclusive), und kann nicht genug erstaunen über den unbegrenzten Flug Ihres Schaffungs Geistes. Gott erhalte Sie noch viele viele Jahre im Genuß solcher Frische und Thätigkeit! -
Ich habe glücklicher Weise seit meiner Ankunft schon viel dazu gewirkt2, damit Ihre prächtigen Compositionen den Amerikanischen sekundieren, wo Liebe zur Musik herrscht, bekannt machen, und zweifle nicht daß ich bald diese nähere Bekanntschaft algemeiner Mode machen können
Sollten Sie zu irgend einer Zeit sich geneigt fühlen mir ein Paar Zeilen zu schreiben, so wird mir dieß ein sehr große Freude verschaffen. Vor allen Dingen mögte ich gern von Ihrem Wohlseyn Nachricht erhalten, sodann einiges über Ihre jetzige Beschäftigung; ich meine über die Werke womit Sie jetzt beschäftigt sind, und die uns demnächst einen neuen Genuß verschaffen werden. - Hören Sie zuweilen etwas über unseren lieben Freund Wilhelm Speyer?
Ich besitze eine ausgezeichnete Violine von Stradivarius, dessen Ton von Kraft und Fülle ich nie habe übertroffen gefunden, und ich darf der Wahrheit gemäß behaupten, daß ich nicht unbedeutende Fortschritte im Violinspiel gemacht habe; wenigstens kann ich alle Ihre Concerte und Quartetten nicht unwürdig vortragen. Meine Liebe zur Sache ist ungeheuer groß, welches ich lediglich Ihnen, meinem unvergleichlichen Lehrer zu verdanken habe.
Ich schließe, mit der herzlichsten Bitte und Hoffnung, daß Sie noch immer etwas Freundschaft für Ihren alten Londoner Schüler hegen mögen, und empfehle mich Ihnm geneigten Wohlwollen. -
Ihr aufrichter Freund, Schüler und Verehrer
Henry George Kuper

Autor(en): Kuper, Henry
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Kuper, Mary
Mahr, Johann Carl Sebastian
Speyer, Wilhelm
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Sextette, Vl 1 2 Va 1 2 Vc 1 2, op. 140
Erwähnte Orte: Baltimore
Helsingör
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1853061640

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kuper an Spohr, 29.04.1842.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich links oben der Poststempel „BALTIMORE / JUN / 10“; rechts unten der Stempel „N.YORK 7 [???] / JUN / 11 / PAID“; links unter dem Adressfeld befindet sich der Stempel „DEUTZ / 23 6 [???] / MINDEN“; links darüber „HAMM / 24 | 6 L / PADERBORN“, „AACHEN / 23 6“ und „D 1 / 25 6“; schließlich befinden sich auf dem Adressfeld die Stempel „PAID“ und „FRANCO“.

[2] Vor „gewirkt“ gestrichen: „zu“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (09.06.2021).