Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

London, d 6ten Mai 1853.
6. Manchester Street
Manchester Square

Hochverehrter Herr Kapellmeister,

Gleich nach unserer Ankunft hier schrieb ich an Sie um Ihnen die Freude auszudrücken, die ich empfunden habe bei der Nachricht, Sie würden wieder hierher zurückkehren. Ich fürchte, mein Brief1 hat Sie nicht erreicht, da wir schon lange einer Nachricht von Mad. Duplessi entbehren, in deren Brief der an Sie eingeschlossen war, und der ihr vermutlich nach Lyon nachgesendet worden ist. Mrs. Whittle und Margareth Taylor haben wir einige Male gesehen, und von Ihnen bestätigt hören, daß Sie wirklich die Absicht haben, zu den zwei Conzerten und der Aufführung Ihrer Jessonda hierher zu kommen. Ich habe daher den Auftrag von Mutter2 und Schwester3, Sie zu fragen, ob Sie Ihnen eine Wohnung zu der von Ihnen näher zu bestimmenden Zeit besorgen sollen, und welche Gegend Sie vorzugsweise wählen würden, in der Nähe von Exeter-Hall sind keine passenden Privat-Wohnungen zu finden, auch ist in diesem Jahr alles sehr gesucht und theurer, und auch wir, obgleich wir schon früh gekommen sind, haben nur weiter fort in der Manchester Street etwas gefunden. – Zum Spielen in der Old Philharmonie habe ich gar keine Aussichten, Piatti hat gespielt, ein großes, eigens dazu von Mollique componirtes Conzert4, und es scheint, als ob sie nicht zwei Cellisten in einer Saison wollten spielen lassen, obgleich drei Violin-Virtuosen und fast in jedem Conzert ein Clavierspieler auftreten.
Die Directoren der New Philharmonie kenne ich gar nicht und weiß nicht zu ihnen zu gelangen; meine einzige Hoffnung beruht jetzt auf Ihnen, theurer Herr Kapellmeister; ich weiß, daß Sie mir wohl wollen, und mir gern behülflich in meinem Streben und meinem Fortkommen sein werden, wenn Sie es vermögen. Könnten Sie mir daher den Weg bahnen, in einem der beiden Conzerte der New Philharmonie zu spielen, die Sie selber leiten, und deren Arrangement und Besetzung gewiß nach Ihrem Plan und Ihren Wünschen eingerichtet wird, so bin ich Ihnen wiederholt auf’s innigste verpflichtet. Die kleinen Conzerte, in denen ich nur Salonstücke spielen kann oder allenfalls in einem Ensemble mitwirken, bringen keine Recensionen, und machen mich kaum in London, viel weniger in der Provinz bekannt, und daher sagt mir ein jeder, daß mein Streben nur darauf gerichtet sein müsste, in einem solchen großen Conzerte ein größeres classisches Werk zu spielen.
Mutter und Schwester lassen sich Ihnen und Frau Capellmeister bestens empfehlen, so wie ich Sie bitte, die lieben v. Malsburg’s herzlich zu grüßen von
Ihrem

Sie aufrichtig verehrenden
Bernard Hildebrand-Romberg.

Autor(en): Hildebrand-Romberg, Bernhard
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Duplessis, Caroline
Piatti, Alfredo
Erwähnte Kompositionen: Molique, Bernhard : Konzerte, Vc Orch, op. 45
Erwähnte Orte: London
Erwähnte Institutionen: New Philharmonic Society <London>
Philharmonic Society <London>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1853050643

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hildebrand-Romberg an Spohr, 26.03.1853. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hildebrand-Romberg an Spohr, 11.10.1853.

[1] Sicherlich der Vorbrief.

[2] Bernhardine Hildebrand-Romberg

[3] Bernhardine, später verh. Schmidt.

[4] Vgl. „Philharmonic Concerts“, in: Musical World 31 (1853), S. 284f., hier S. 285.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.02.2024).