Louis Liebe an Louis Spohr in Kassel

Straßburg den 16. November 1852

Hochgeehrter Herr Capellmeister!

Ihren geehrten Brief vom 7. d. habe ich richtig erhalten und sage Ihnen in meinem so wie in des ganzen Gesang-Vereins Namen meinen verbindlichsten Dank für die gütige Bereitwilligkeit, mit der Sie uns Partitur und Stimmen von Ihren „Letzten Dingen“ zukommen lassen wollen. Es wäre uns sehr angenehm, wenn Sie uns schon jetzt die Orchester-Quartettstimmen und vielleicht noch 6-8 Singstimmen von jeder Partie überschicken wollten, da bald die Quartett-Proben begonnen werden sollen. Die übrigen Orchesterstimmen und die Partitur wollen Sie uns dann gütigst zukommen lassen, sobald sie copirt sind.
Um Ihnen so viel wie möglich die Mühe zu erleichtern, wollen Sie das Paket gefälligst einem Speditionshause in Cassel übergeben, welches es an das hiesige Speditionshaus: Hummel et Comp., welches sehr renommiert ist, zu senden hat, wodurch auch Ihnen und uns die beste Garantie für sichere Übersendung und Rücksendung gegeben wird. Gleich nach Neujahr werden wir Ihnen Alles wieder richtig zustellen.
Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, mit welchem Eifer und welcher Liebe Ihr Oratorium hier studiert wird, Sie haben schon selbst den Eindruck erfahren, den Ihre Musik auf die Ausführenden und die Zuhörer macht. Nur wünschte ich, daß der Organist, Herr Stern, der das Oratorium einstudirt¹, bei seinem Eifer und bei seiner Liebe zu Ihren Compositionen auch das nöthige Feuer besäße, um noch mehr Schwung und Präcision in das Ganze zu bringen.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir die englischen Zeitungen² anvertraut haben, von denen³, sobald ich sie mir habe übersetzen lassen, ich den schon angegebenen Gebrauch machen werde, worauf ich dieselben wieder in Ihre Hände zurücksenden werde.
Mit Nächstem der Übersendung der Stimmen entgegensehend unterzeichnet mit Hochachtung und Ehrerbietung

Ihr
dankbarer
Louis Liebe

An
das Speditionshaus Hummel et Comp.
in
Strasburg
zur Verfügung des Herrn Mskdrktr. Louis Liebe daselbst.