Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Wohlgeborner,
Hochzuverehrender Herr Capellmeister!

Die Wünsche welche ich am 25t v. M. persönlich vor Euer Wohlgeboren auszusprechen wagte, sind aufs Vollständigste erfüllt worden. Mein Sohn hat nun seine Anstellung in dasiger Capelle, wie auch Ihre gütige Bereitwilligkeit, sich seiner ferneren Ausbildung im Solospiel unterziehen zu wollen, gemeldet.1 Ich bin durch diese Nachrichten aufs Innigste erfreut worden, und fühle mich gedungen, Ihnen hochverehrter Herr Capellmeister, für die Erfüllung meiner Bitten den wärmsten Dank darzubringen.
Euer Wohlgeboren wollen nicht unwillig werden, wenn Ihre große Güte mir Muth macht, mit dem Dank neue Wünsche zu verbinden. Dieselben beziehen sich auf das jungedliche Alter meines Sohnes, auf die Gefahren, die in solchen Lebensalter ohne irgend eine Aufsicht seiner Sittlichkeit drohen; so wie auf seine Unerfahrenheit, den richtigen Gang seiner Ausbildung selbst zu finden.
Was den ersteren Punct betrifft, so dürfen Euer Wohlgeboren die unstatthafte Bitte, über meines Sohnes Leben und Wandel Aufsicht führen zu wollen, nicht von mir fürchten. Wünschen und bitten aber mögte ich, Sie wollen dann und wann einmal gelegentlich ein Auge auf diesen Theil seines täglichen Treibens richten, und, was noth thut, ihn mit einem Wörtchen warnen. Mehr als eines Wörtchens würde es bei der Ehrfurcht, mit welcher mein Sohn Sie als sein Künstlerideal zu betrachtet gewohnt ist, nicht bedürfen, um ihn in die rechte Richtung zurückzuleiten.
Den zweiten Punct anlangend, so werden Euer Wohlgeboren leicht denken können, daß ich aus meinem einzigen Sohn, wenn ich ihn der Kunst sich widmen ließ, gern etwas Tüchtiges machen wollte. Es ist deswegen mein Plan und Wunsch, daß er sich auch in der Theorie ausbilde, und sich auch in der Composition versuche, und ich werde zur Ausführung dieses Plans gern die erforderlichen Ofter bringen. Vielleicht würde ich Ihnen nicht allzulästigt sein, für den Gang seiner theoretischen Ausbildung durch Ihrem gütigen Rath vorzugreifen, auch, wenn es Zeit ist, ihm den dazu erforderlichen Unterricht in Einer oder einem paar wöchentlicher Stunden selbst zu ertheilen.
Noch Eines liegt mir am Herzen. Der stete und ausschließliche Umgang mit seinesgleiches ist für die äußeren Sitten und Maniren eines Jünglings nicht günstig. Sollte nicht vielleicht das Solospiel meines Sohnes mit der Zeit Gelegenheit darbieten ihm innigen Verkehr mit gebildeten Familien zu verschaffen?
So habe ich es gewagt, vor Euer Wohlgeboren allerlei Fragen und Wünsche des Vaterherzens auszuschütten. Sie werden dieselben zu natürlich finden, um das freimüthige Aussprechen derselben nicht zu entschuldigen, zumal wenn Sie gütigst erwägen, daß es mir an aller Bekanntschaft in Cassel feht, und deren Hilfe ich namentlich den zuletzt ausgesprochenen Wunsch erfüllt zu sehen hoffen dürfte. Indem ich mich der Hoffnung hingebe auch diesmal keine Fehlbitte gethan zu haben, empfehle ich mich Ihnen, Hochverehrter Herr Capellmeister, ehrerbietigst und

Ganz Gehorsamst
FHunnemann

Moringen d 23t Septbr.
1852.

Autor(en): Hunnemann, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hunnemann, Ernst
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852092340

Spohr



[1] Vgl. Spohr an die General-Intendantur des Hoftheaters in Kassel, 28.10.1852.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.03.2022).