Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Albrecht:5
Hochgeehrter Herr Hofkapellmeister!
Auch diesmal will ich das Danken nicht auf’s Ende versparen, sondern, wie billig, damit anfangen. Und nicht ich allein für mich will es diesmal thun, sondern ich will noch Jemanden, meine liebe Frau, hineinziehen, welcher, was Sie für mich thun wollen, meine Beförderung, mein Glück, ja auch die ihrigen sind. Wir beide wollen Ihnen unseren Dank, unsere Verehrung entgegenbringen, und wenn auch nur in Worten, so sind sie nicht gering. – Ich kann nicht zurückhalten, welch’ tiefen innerlichen Eindruck es mir macht, wenn ich das zwischen Ihnen und mir Gewechselte – das erste schon vor 12 Jahren1 – betrachte. Fast noch Knabe war ich, und schon erhielten Sie den Ehrenplatz in meinem musikalischen Gemüthe. Ich hörte damals mehrere Ihrer Werke, und an Ihrem 11ten Violinconcert – in Gdur, das erste, welches mir in die Hände kam – erarbeitete ich mich mit anhaltender Begeisterung; die Gesangstellen desselben mit ihrer harmonsichen Färbung rißen mich zu wirklicher musikalischer Schwärmerei hin. Freilich zwar empfand und dachte ich sie recht schön, aber spielte sie abscheulich. – Dann das Hörensagen von Andern. Es erwuchs in mir ein Vertrauen zu Ihnen, wie zu keinem anderen Künstler. – Und als nun die Jahre mich mahnten, und es mich mehr als jemals drängte, nun endlich einmal einen günstigen Schritt vorwärts zu thun auf
auf meiner Lebensbahn, und als manche näherliegende Versuche hiezu mißlungen waren, – da vertraute ich meinem Vertrauen zu Ihnen, und Sie haben auf dasselbe auch etwas gebaut, – 2 Briefe der schönen Hoffnung, 2 Briefe der Gewißheit, daß Sie Antheil an mir nehmen, und zwar solchen Antheil, wie ich ihn brauche, wie er mir helfen kann, – ich sitze mit Vertrauen hiezu, – helfen wird. – Da sind nun meinerseits Anerkennung und Dank gleich groß, und zwar so groß, daß ich mich nicht enthalten konnte, einige Zeilen weit Ihnen vorzudenken und zu schreiben.
Nun bringe ich Ihnen eine neue Beschwerniß; sie ist diesmal eine erlaubte, dem Gesammtsinne Ihres letzten Schreibens nach. Ich bin glücklich, daß ich solche Erlaubniß von Ihnen habe.
Während zweier Tage überlegte ich mit meiner Frau, – nicht so lange, ob ich überhaupt Ihren Rath, Ihre Weisung befolgen solle und könne; denn hierüber waren wir bald über Ja einig, – sondern wir nahmen uns vielmehr Zeit, zu überlegen, auf welche Weise wir Ihren Rath, Ihre Weisung am besten befolgen könnten, also auch, wie Sie es nöthig fanden, am schnellsten. Und wir kamen in folgender Weise überein:
Ich solle sogleich meine Bewerbung an Herrn Hofkapellmeister Marschner schreiben, 2 Zeugniße aus München beilegen, welche von meinem Violinspiel reden, alsdann diese Papiere Ihnen zusenden mit der Bitte, Sie selbst möchten dieselben mit einigen empfehlenden Worten weiter an Herrn etc. Marschner befördern. Ferner solle ich Sie um die Erlaubniß bitten, bei Ihnen eine Hörprobe bestehen zu dürfen, falls ich in der That in Hannover zur Prüfung gefordert würde. Fänden dann Sie mich bei dieser Vorprobe Ihrer im Vertrauen auf meine Zeugnisse zum Voraus gegebenen Empfehlung und der in Frage stehenden Anstellung würdig, so sollte ich weiter nach Hannover reisen; gegentheils aber von Kassel wieder nach Murten zurückreisen und meine Bewerbung zurücknehmen.
So, verehrtester Herr Hofkapellmeister, ist das Ergebniß unseres Familienrathes; besser wußten wir uns in der Sache nicht zu benehmen. Ist etwas Ungeschicktes dabei, so verzeihen Sie es unserem Mangel an Einsicht. Meinerseits bleibt das Gesagte fester Beschluß in allen Punkten, welche Sie gut heißen werden. – Den Anfang, die Sendung der Papiere an Sie, muß ich freilich auf mein alleiniges Gutdünken hin wagen, weil die Zeit mangelt, auch über diesen Punkt Ihre Erlaubniß einzuholen.
Sey es mir gestattet, schließlich noch auf Eine Stelle Ihres letzten verehrten Schreibens zu erwidern. Sie nannten ein für jetzt zu hoffendes Maximum des Gehaltes von 400. – Aber welche 400 meinten Sie? Ohne Zweifel haben Sie das der Ziffer 400 folgende Zeichen der gemeinten Münzsorte ganz richtig nach üblicher Weise geschrieben; ich aber kenne dieses Zeichen nicht mit Sicherheit, und weiß daher nicht, ob Sie Franken oder Gulden oder noch eine andere Münzsorte, und endlich zu welchem besonderen Werthe Sie die bestimmte gemeint haben. Doch angenommen, daß es 400 rheinische Gulden seyn sollten, so wäre allerdings ein solcher Gehalt noch nicht halb so groß, als mein jährliches Gesammteinkommen in Murten ist, da schon mein jetziger fester Gehalt 640 Gulden ausmacht, und mir viel freie Zeit für einen eben nicht schlecht honorirten Privatunterricht bleibt. – Wie es nun in Hannover seyn würde? Ob meiner eigentlichen Dienstverpflichtungen so viele wären, daß in denselben meine Zeit und Kräfte ganz aufgingen? Oder ob etwas von diesen übrig bleibe, um den Bedürfnissen der Haushaltung noch durch Nebenbeschäftigungen genügend zu entsprechen? ob man endlich in Hannover, wie man sich auszudrücken pflegt, wohlfeil leben kann, wenn man will? Vielleicht wohlfeiler, als in Murten, wo, wie bekanntlich in der ganzen Schweiz, ziemlich theuer zu leben ist? – Auf dieß Alles weiß ich keine Antwort, als diese: Um eines höheren Gewinnes willen muß man manche damit bedingte Beengung und Entbehrung mit Muth in’s Auge fassen, und insbesondere bei mir würde ohne solchen Muth vielleicht niemals der wünschbare Umschwung in meinen beruflichen Verhältnissen statt finden können. Also sage ich zu mir selbst: Immerhin fort nach Hannover, wenn eine höhere Vorsehung mir wirklich eine so günstige Gelegenheit zur Entwickelung meiner Anlagen sollte schenken wollen! – Lieber wäre ich zu Ihnen gekommen und bei Ihnen geblieben: – doch, wie das Schicksal und Sie wollen! –
Gehnemigen Sie, daß ich, mich Ihrem ferneren Wohlwollen empfehlend, mich hochachtungsvoll zeichne, hochgeehrter Herr Hofkapellmeister,
Ihren
ganz ergebenen
Moritz Albrecht.
Murten, d. 5 August 1852.
Autor(en): | Albrecht, Moritz |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Marschner, Heinrich |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Hannover München |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852080543 |
Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Albrecht. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Albrecht an Spohr, 30.08.1853.
[1] Vgl. Albrecht an Spohr, 17.06.1841.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (17.10.2023).