Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. hist. litt. 15[195,35
Professor Taylor.
Gresham College
London.
franco.
Dover den 22sten Juli
1852
Geehrter Freund,
Wenn es mir überhaupt schon die Freude an meinem Aufenthalte in London getrübt hat, daß ich Sie so selten sah, so war es mir doch fast unerträglich, daß ich abreisen mußte, ohne lhnen Lebewohl sagen zu können Wenigstens wollte ich Ihren lieben Brief beantworten; aber auch dazu ließen es die vielen Abschiedsbesuche, die gestern Vormittag gar nicht aufhörten, nicht kommen. So will ich Ihnen denn, wenigstens noch von englischem Boden aus, für alles Freundliche, was wir Ihrer Güte von Neuem verdanken, unsern herzlichsten Dank sagen, und Ihnen zugleich melden, daß es des schriftlichen Contrakts nicht bedurfte, in dem mir Hr. Gye das bedungene Honorar am Freitag von freien Stücken zusandte.1 Er war überhaupt sehr zuvorkommend, und hat mich dringend gebeten im nächsten Jahre wiederzukommen, um Jessonda zu dirigiren. Doch werde ich wohl bey meinem Alter eine solche Anstrengung nicht noch ein 2tes Mal übernehmen können.
Auf der Rückreise von Chertsey, wo wir 2 Tage höchst vergnügt bey Herrn G. Smart in ländlicher Ruhe zubrachten2, hatten wir die Freude ganz unerwartet Ihren Sohn und Herrn Whittle auf der Station von Weybridge zu treffen, und da ersterer mit uns nach London fuhr, so konnten wir uns endlich einmal recht aussprechen.4
Leid war es mir Sie nicht noch einmal, nach dem Sie den Faust gehört hatten, sprechen zu können, da ich Ihnen manches mitzutheilen hatte, was schriftlich zu weitläufig würde. Gern hätte ich gesehen, wenn Sie die 3te Aufführung noch gehört hätten, da diese bey weitem die beste war.4 Die neuen Rezitative haben durch schlechte italiänische Übersetzung sehr verloren und werden mit deutschem Text eine ganz andere Wirkung machen.
Nun leben Sie wohl und behalten Sie uns ferner in freundlichem Andenken. - Um 11 Uhr werden wir überfahren, und es hat bis jetzt den Anschein als werde es eine ruhige Überfahrt seyn.
Mit wahrer Freundschaft stets
ganz der Ihrige
Louis Spohr
Autor(en): | Spohr, Louis |
Adressat(en): | Taylor, Edward |
Erwähnte Personen: | Gye, Frederick Smart, George Taylor, John Edward Whittle, James |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Faust Spohr, Louis : Jessonda |
Erwähnte Orte: | Chertsey London |
Erwähnte Institutionen: | Covent Garden <London> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852072204 |
Dieser Brief ist die Antwort auf Taylor an Spohr, 19.07.1852. Taylor beantwortete diesen Brief in seiner Nachschrift zu Margaret Taylor an Spohr, 10.06.1853.
[1] Vgl. Frederick Gye, 17.07.1852.
[2] Vgl. Marianne Spohr, Tagebucheinträge 18.-20.07.1852.
[3] Vgl. ebd. 20.07.1852.
[4] Vgl. „Abends dritte Faust-Aufführung, die gelungendste von allen, und der Enthusiamus ohne Ende [...]“ (ebd.).
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.12.2019).