Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr Hochwohlgeboren
dem Herrn Dr Louis Spohr, kuhrhes-
sischer Hofkapellmeister
zu
Kassel.

Frey.


München d. 16ten July 1852. –

Hochgeehrtester Herr!

Nach harten Prüfungsjahren scheint das Schicksal endlich besser gegen mich gestimmt zu werden. Ich kann Ihnen vor allem Andern die freudige Nachricht mittheilen, daß mir durch Verwendung des Herrn Professors J. Maier am königl. Conservatorium dahier – bis zur Erhaltung meines musikalisch. Stipendiums von der badisch. Regierung – die Mittel verschafft sind, unter der Leitung des Herrn Maier, – der ein Schüler von Herr „Hauptmann“ ist – die so nothwendige „Schulbildung“ zu erlangen. –
Was nun mein Stipendium betrifft, so war gerade dieser Mangel an „Schulbildung“ die alleinige Ursache der Verzögerung, da die badische Regierung – nach dem Geseze – nur für „Kunstbildung“ ein Stipendium gibt. Professor J. Maier wird mir bis September d.J. – neuer Termin für die Anmeldung – über „vollendete Schulbildung“ ein – wie er mir sagte – sehr gutes Zeugniß ausstellen; und so kann ich, bis Neujahr 1853 – nach dem Ausspruche des Herrn Ministers v. Marschall selbst – mein Stipendium erhalten. In Folge dieser Wendung meines Geschickes nahm ich die Bewerbung auf das Mozart-Stipendium zu Francfort a/M zurück. Ohne meine gewagte Reise nach München wäre ich also nie zu meinem Stipendium gekommen, obschon ich die „eintweilige“ Unterstützung nur Ihrem hohen Ansehen – wenn auch indirect – verdanke.
Ich anerkenne dies mit lebhaftem Danke! Hochgeehrtester Herr! Mein erster und größter Wohlthäter! Ich befürchte, Sie mit meinem letzten Schreiben von Freiburg aus, gekränkt zu haben. Ich befand mich damals auf dem Höhepunkte meines widrigen Schicksals und war nahe daran, ein Finisterer Menschenfeind zu werden; zu böser Stunde muß mir der Gedanke gekommen sein, „Sie“ darum zu bitten in München in materieller Hinsicht mir irgend welche Unterstützung zu verschaffen. Ich fange an, das Unstatthafte einer solchen Bitte einzusehen, kann aber leider jenen Brief nicht mehr „ungeschrieben“ machen. Alles – was ich thun kann; u. was ich hiermit auch thue – ist dies: Ich biite Sie recht sehr, meinen dammaligen sehr drückenden Verhältnißen, welche mir die ruhige Ueberlegung fehlen machten, dies unzeitige und unstatthafte Bitten zuzuschreiben. Ich bitte Sie darum recht herzlich und innig!!! –
Die erste Oper die ich hörte – zu Freiburg im Br. – war die „Jessonda“. Was auch über Ihre Musik – pro et contra – gesagt und geschrieben wird, auf „mich“ machte diese Oper einen Eindruck, wie ihn bisher nicht annähernd keine andere Musik machte. Himmlich! Göttlich! Nicht eine Sylbe verstand ich dammals davon, aber ich fühlte diese herrliche Musik. Als ich hörte – der Mann „lebt“, der diese Musik geschaffen – welche Freude! Als dieser erhabene Tondichter sich später um mich annahm – dieses Wohlwollen – mein einziger Stolz – mein ganzes Glück, – mein Glück zur Zeit der Prüfung, und jezt, da es mir so gut geht, sollte ich sein Wohlwollen, „seine“ Achtung entbehren? ? ?
Aller faden Schmeichelei feindt, wird mein Gefühl – in der Erinnerung an jene Zeit, warm, als ich mein Talent fühlen lernte, angeleitet, gehoben durch die „Jessonda“. Ich „mußte“ Ihnen das sagen. Es ist geringer Ausdruck weit tieferer Empfindungen; Wahr u. offen! !
Soll ich „mir“ mein ganzes Leben Vorwürfe machen? ?
Sie sind mir wieder gut? ?
Ich hoffe es. – O gewiß! ? –
Bis auf Weiteres, hochachtungsvoll und dankerfüllt

der Ihrige
ergebenster
F. Keppner.

Autor(en): Keppner, Franz Joseph (Sohn)
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hauptmann, Moritz
Maier, Julius Joseph
Marschall von Bieberstein, Adolf
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Freiburg im Breisgau
Erwähnte Institutionen: Konservatorium <München>
Mozartstiftung <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852071646

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist 03.04.1852. Spohr beantwortete diesen Brief am 31.07.1852.

Kommentar und Verschlagwortung, sofern in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Wolfram Boder (26.09.2019).