Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr, L. 31

An
Frau Emilie Zahn
geb Spohr
in
Newjork.


Cassel den 17ten April
1852.

Liebe Emilie,

Es ist mir lieb, daß die Auswanderer aus unserm Orchester mich zwingen, mich von meiner Arbeit loszureißen um dir endlich einmal zu schreiben, denn sonst hätte ich es vielleicht nochmals verschoben, da ich weiß, daß Ida dich nicht ohne Nachricht von uns läßt. Vielleicht weist du aber noch nicht, was mich so zur Arbeit treibt und so muß ich dir dieß zuerst erzählen. Im Anfang dieses Jahrs kam der Unternehmer1 der Londoner italiänischen Opern hieher, und trug mir an, ihm meine Oper Faust als große Oper in Rezitativen für sein Theater für die Frühjahrssaison zu bearbeiten, da die Königin und der Prinz Albert darauf beständen, daß diese Oper endlich einmal in London gegeben werde. Ich hatte wenig Lust dazu, da ich gleich einsah, daß diese langen Dialoge sich nur nach völliger Umschmelzung würden in gute Rezitation verwandeln lassen. Er war aber sehr dringend und so versprach ich den Versuch zu machen. Er hatte bereits einen Italiäner in London beauftragt die Dialoge in italiänische Verse zu übertragen. Dies wollte er mir sogleich nach seiner Rückkehr übersenden. Sie kamen auch nach 8 Tagen an. Es war [...]2
kennen waren. So konnte es nichts gescheites werden, ich schrieb daher ab. Acht Tage nachher war schon ein 2ter Abgesandter hier, ein Herr Davison, ein angesehener Journalist, den wir bereits von London aus kannten. Dieser proponirte mir, die Dialoge nach eigener Ansicht zu bearbeiten, sie deutsch zu komponiren und erst dann zur Übersetzung ins Italiänische einzusenden. Zugleich lud er mich im Namen des Unternehmers mehrmals dringend ein, zu Anfang unserer Ferien nach London zu kommen, um die erste Aufführung der Oper selbst zu leiten. Es war nun schon Ende Februar und daher ein rascher Entschluß erforderlich! Nachdem ich die Oper nochmals durchdacht hatte, sagte ich zu, und mochte machte mich dann augenblicklich an die Arbeit. Diese gewann bald großes Interesse, denn ich fand daß die Oper durch ein verständiges Bearbeiten der Dialogscenen sehr an Wirkung und Interesse gewinnen könne, und daß sich auch noch für die Sänger glückliche und efektreiche Momente anbringen ließen. Ich schrieb daher, immer gleich an die Komposition denkend, die Dialoge um, und Marianne brachte sie mir in neugereimte Jamben. – So ist nun, seit jener Zeit, eine Scene nach der andern fertig geworden, und ich bin eben mit der letzten beschäftigt. Besonders [...]3
Gestalt zu hören. Ich habe die Arie aus dem „Zweikampf” für die Kunigunde aufgenommen und dann den 2ten Akt mit der Hochzeitsscene geschlossen. Der 3ten beginnt nun mit einem Entreakt an den sich die große Recitativscene des Mephisto anschließt, welche zur Arie „Stille noch dieß Wuthverlangen” übergeht. Die erste Hälfte der Oper habe ich schon vor einiger Zeit nach London geschickt, damit der Übersetzer sogleich beginnen konnte. – Ob ich nun mit Beginn unserer Ferien werde nach London gehen können, um die Oper zu dirigiren ist noch ungewiß, da ich nicht weiß, ob der Kurfürst auch dieses Jahr mit den Urlaub verweigern will, und was ich dann für Schritte thun werde. Der Prozess, der übrigens günstig für mich steht, wird bis dahin noch nicht entschieden seyn. – Vor einigen Tagen ist uns von Bunde die neue Verfassung octroirt worden. Sie ist nicht ganz so schlecht wie man erwartet hatte. Hassenpflug wird sie aber für seine Zwecke schon zu interpretiren wissen. In diesem Jahre wird halb Hessen nach Amerika auswandern. Auch mehrere der besten Mitglieder unsers Orchesters sind darunter, die ich sehr ungern verliere. Auch der Überbringer dieses Briefs, Herr Gürtelmeier gehört dazu. Er ist ein vorzüglicher Oboebläser und das Orchester in Newjork, das ihn gewinnt, kann stoltz auf die Aquisition seyn. Solltest du den braven Leuten durch Rath und Verwendung nützlich seyn können, so bitte i[ch] sehr darum. – Leider werde ich wohl der erste seyn, der dir die traurige Nachricht von der Schwägerin Louise Tode mittheilt. Sie ist am 8ten d.M. an der Lungenschwindsucht gestorben. Rosalie hat sie mit großer Liebe und Sorg [...]4

 

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Zahn, Emilie
Erwähnte Personen: Davison, James William
Görtelmeier, Heinrich
Gye, Frederick
Hassenpflug, Ludwig
Spohr, Louise
Spohr, Rosalie
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Faust
Spohr, Louis : Der Zweikampf mit der Geliebten
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Covent Garden <London>
Hofkapelle <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852041700

Spohr



Der letzte erhaltene erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Zahn, ab 18.06.1851. Zahn beantwortete diesen Brief am 04.07.1852, dessen Postweg jedoch mit Spohr an Zahn, 16.05.1852 überschnitt.

[1]  Fredrick Gye.

[2] Textverlust durch abgetrennten unteren Teil des Blatts.

[3] Textverlust durch abgetrennten unteren Teil des Blatts.

[4] Textverlust durch abgetrennten unteren Teil des Blatts.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.05.2020).