Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Sr. Wohlgeboren
Herrn Hof-Capellmeister & Dr.
Spohr
in
Cassel.
frey.
Hamburg1, d. 5 April 1852.
Hochgeschätzter Herr und Freund!
Nehmen Sie von uns Allen die herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem kommenden Geburtstagsfeste. Möge der liebe Gott Sie noch recht lange Ihrer lieben Familie, Ihren zahlreichen Freunden und Verehrern, so wie der, jetzt oft so arg gemißbrauchten Kunst zur Stütze in glücklicher Thätigkeit erhalten! – Die Besorgniß, Ihnen, dem vielbeschäftigten und so arg geplagten Manne lästig zu fallen, so wie ein sehr heftiger Blutsturz, der mich im October v. Jr. überfiel, und in Folge dessen ich mich noch immer nicht wieder erholen kann, hielten mich bisher besonders zurück, Ihnen wieder ein Schreiben zu übersenden.
Wir haben hier durch viele Krankheitsleiden einen sehr traurigen Winter verlebt, denn kaum war ich nach viermonatlichen, greulichen asthmatischen pp. Plagen etwas in der Besserung, als auch meine Frau bedeutend erkrankte, hat sie sich bereits wieder ziemlich erholt. Für meinen Sohn2 waren diese harten Schicksale natürlich zunächst von den schlimmsten Folgen, indem dadurch sein, so nothwendiges Ueben und Studiren fast ganz gehemmt wurde. Dagegen aber haben wir am Ende des vorigen Jahres die Freude gehabt, daß er (in Folge meines Gesuches) mir im Amte adjungirt wurde.
Ein kürzlich erhaltenes Schreiben der Herrn Hauptmanns C. von Bülow in Lüneburg (der ein großer Musikfreund ist, selbst das Bassethorn und sich daher ganz gewaltig gerade für dieses Instrument interessiert, auch mich einige male mit seinem freundlichen Besuche beehrte,) enthält u.a. folgende Bitte: „wollen Sie Sich nicht gefälligst bei Hrn. Spohr erkundigen: ob er nicht vor ein Paar Jahren Piecen für Bassethorn herausgegeben hat, und in welcher Handlung ich die bekommen kann? Seine Clarinett-Variationen3 besitze ich“ pp. –
Ueber den, besonders von den Pietisten pp. jetzt so viel gerühmten s. g. rhythmischen Choralgesang lege ich hier einen kleinen Aufsatz4 bei. Es wird mich sehr erfreuen, auch Ihre Ansicht über diesen Gegenstand zu erfahren.
Die öffentlichen Musikaufführungen geben hier – nach meiner Ansicht – wenig Erfreuliches. Wie kann das aber auch Anders seyn, wenn sogar manche der besten Musiker, so wie die, jetzt keineswegs beliebten noch geachteten Theater-Directionen, dem frivolen oder verrückten Zeitgeschmack zu huldigen für gut finden! Da scheint mir dann doch des guten Schillers Wort Anwendung zu finden: „Wo die Kunst verfällt,“5 pp. denn die meisten Musiker scheuen sich nicht, oft den albernsten Dilettantenzumuthungen nachzugeben! – Schon vor 3 Jahren ließ ich mir direct von Luckhardt in Cassel Ihre neuesten Compositionen: das Sextett, das Doppelquartett u. Quartett kommen und bot dieselben u.a. dem Hrn. J. Böie in Altona zur Aufführung an. Ich erhielt – nicht einmal eine Antwort, viel weniger einen Dank! und habe somit diese Sachen (ja, nicht einmal meine eignen kleinen 3- u. 4stimmigen Liedchen) alle noch nicht gehört! –
Ganz besonders würde es uns erfreun, recht ausführliche Nachrichten von Ihnen zu erhalten, und wünschten wir zunächst, daß es Ihnen gefallen mögte, uns baldigst wieder durch Ihren Besuch zu erfreun. Sollte es Ihnen und Ihrer lieben Familie nicht zuträglich seyn, den Sommer einmal hier in der freundlichen Elbgegend zuzubringen? Daß wir uns bemühen würden, Alles, so weit es nur unsre schwachen Kräfte vermögen, mit Freuden zu Ihrer Erheiterung beizutragen, versteht sich gewiß von selbst. Recht dringend bitten wir Sie, diese Idee doch einmal zu prüfen. Die Ausführung würde uns eine ganz große Freude gewähren! – In dieser Hoffnung und mit der Bitte um freundliche Grüße an Ihre liebe Familie verbleibt stets
mit Hochachtung
Ihr getreuer Verehrer
J. F. Schwenke
Autor(en): | Schwencke, Johann Friedrich |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Böie, John Bülow, Carl von Schiller, Friedrich Schwencke, Friedrich Gottlieb |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Doppelquartette, op. 136 Spohr, Louis : Fantasie und Variationen, Klar Vl 1 2 Va Vc, op. 81 Spohr, Louis : Quartette, Vl 1 2 Va Vc, op. 141 Spohr, Louis : Sextette, Vl 1 2 Va 1 2 Vc 1 2, op. 140 |
Erwähnte Orte: | Hamburg |
Erwähnte Institutionen: | Luckhardt <Kassel> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852040543 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Schwencke, 04.01.1851. Spohr beantwortete diesen Brief am 29.04.1852.
[1] Vordruck auf dem Briefpapier.
[2] Friedrich Gottlieb Schwencke.
[3] Fantasie und Variationen (b-Moll) für Klarinette mit Begleitung von Streichquartett oder Klavier, op. 81.
[4] Noch nicht ermittelt.
[5] Noch nicht ermittelt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (07.12.2018).