Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr Wohlgeboren
Herrn General-Musikdirector Dr. Spohr
in
Cassel

fr.0


Dordrecht den 3t Ap. 1852

Hochverehrtester Herr Generalmusikdirector!

Empfangen Sie zu Ihrem Geburtstage mit meinen herzlichsten Glückwünschen die Versicherung meiner unaussprechlichen Hochachtung und Verehrung, die von Jahr zu Jahr zunehmen je mehr ich Ihren großen Geist zu würdigen lerne u je mehr ich Ihr tiefes Gemüth durch Ihre Werke kennen lerne. Es ist mir unmöglich den Grad von Verehrung auszusprechen den ich für Sie fühle. – meine Werke sind zu arm und doch möchte ich Ihnen sagen daß Tausende u aber Tausend so denken u für Sie empfinden wie ich.
So bemerke ich zu meiner großen Freude ein immer größeres Interesse an Ihren Werken was für Holland in physischer u moralischer Hinsicht ein gutes Zeichen ist; denn erstens beweißt es das die Ausführungen besser werden u der Sinn für das wahrhaft Schöne sich immer mehr entwickelt. Sie können nicht denken wie viele Werke von Ihnen aufgeführt werden. Für verschiedene Violincompositionen, besonders für die Gesangsscene haben Sie einen guten Representanten an einem Hr v. Königslöw der mir durch Dr. R. Schumann empfohlen wurde u der vielen Succes gehabt hat.1 Verschiedene Gesangscomp. z.B. Air aus Faust u „Tu m’abbandoni ingrato“2 sind durch Mad. Julian van Gelder mit nicht minder guten Erfolg ausgeführt3 u was die Orchesterwerke betrifft, so nimmt die algemeine Theilnahme außerordentlich zu. Jessonda Ouverture ist im Caecilien Concerte in Amsterdam bis verlangt; über die Weihe der Töne will ich Ihnen einen kleinen Auszug geben, um daran den Zustand, den Geist für die Musik zu erkennen „Een groot genot verschafte ons heden Spohrs heerlijk meesterstuk. Het is thans na vele jaren van volstrekte onbekendheid een lievelingswerk van het publieck geworden pp“4
Über die Arie aus Faust: Vooral het schone Arie uit Faust werd door haar (Mad. v. Gelder) verrukkelijk gezongen. Het deed ieder Kunstvriend goed die heerlijke muziek zoo goed te hooren voordragen“5 pp etc Obgleich Sie über alles Lob erhaben sind, so muß es Ihnen doch eine Freude sein, in allen Zungen geprisen zu werden und überall die Anerkennung zu finden die Sie so sehr verdienen. Ich könnte Ihnen hochverehrtester Herr Generalmusikdirector noch viel davon schreiben u Sie würden lächeln; allein es freut mich daß man Sie überall immer mehr begrift u daß ich deutlich daran sehen kann das sich das Gute u Edle früher oder später überall Bahn bricht u daß die Wahrheit in Kunst u Leben doch zuletzt den Sieg davon trägt.
Gar gern erführe ich Etwas von Ihnen hochverehrtester Herr General-Musikdirector – wie Sie sich befinden, wie es dort aussieht – womit Sie sich gegenwärtig beschäfftigen? u verlange ich nicht zu viel, so bitte ich um ein Paar Zeilen, sollte es auch so wenig sein.
Sehr gern hätte ich gesehen daß Ihre Nichte Fräulein R. Spohr aus Braunschweig im vergangenen Winter hierhergekommen wäre, um uns durch ihr schönes Talent zu erfreuen. ich hoffe daß sie in nächster Saison kommen wird und darf ihr eine gute Aufnahme vorher versprechen.
Von mir kann ich nicht viel schreiben. Durch Ihre freundliche Aufmunterung angespornt habe ich seit meiner Reise ein 2t Quart[ett] geschrieben u eine neue Ouverture. Meine Beschäftigungen [erlauben] mir nicht meiner Neigung zu folgen, sicher würde ich mehr [damit] verbringen.
Mit meinen Empfehlungen an Frau Generalmusikdirector bitte ich meinen herzlichen Dank zu sagen für das mir geschenkte Albumblatt6. Es wird mir wie ein Stern durchs Leben leuchten! Ebenso sage ich Ihnen Dank nicht allein7 für das Stammblatt, als für die freundliche u wohlwollende Aufnahme bei meinem Dortsein.
Leben Sie wohl Herr Generalmusikdirector u halten Sie mich immer für Ihren getreuen, Sie so sehr verehrtenden u liebenden Schüler

Ferdin. Böhme

Noch bitte ich um viele Grüße an J. Bott.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 04.04.1851. Spohr beantwortete diesen Brief am 29.04.1852.

[0] Rechts oben auf dem Adressfeld befindet sich der Poststempel „DORDRECHT / 5 / 4 / 18 [52]“, lins über dem Adressfeld befindet sich der Stempel „DEUTZ-[???]DEN / T II / 6 4“; drei weitere Stempel sind stark verwischt.

[1] Vgl. „‘s Gravenhage. Tweede Concert ,Diligentia‘, den 17. December 1851“, in: Caecilia <Utrecht> 9 (1852), S, 6f., hier S. 7; „Dordrecht. Tweede Concert, den 20. December 1851“, in: ebd., S. 20f., hier S. 21; [Florentius Cornelius] Kist,„Utrecht. Tweede Dames-Studenten-Concert, den 11. Februarij 1852“, in: ebd. S. 50f., hier S. 51.

[2] Op. 71.

[3] Vgl. „[Het tweede concert van Eruditio Musica]“, in: Nieuwe Rotterdamsche courant 14.01.1852, S. [2]; [„Het derde concert Diligentia“], in: Dagblad van ’s Gravenhage 23.01.1852, S. [3]; [„Het Tiende Concert der Maatschappij Felix Meritis]“, in: Algemeen Handelsblad 02.02.1852, S. [4]: „Euruditio Musica. Tweede Concert“, in: Caecilia <Utrecht> 8 (1851), S. 233f., hier S. 233; „Deerde Concert Concert ,Diligentia,‘ 21 Januarij 1852“, in: ebd. 9 (1852), S. 28f. hier S. 28; [Florentius Cornelius] Kist, „Tweede Stads-Concert, den 24. Januarij 1852“, in: ebd., S. 30.

[4] X., „[Waarde Redacteur]“, in: Caecilia <Utrecht> 9 (1852), S. 47ff., hier S. 48.

[5] Ebd.

[6] Marianne Spohr, Albumblatt 12.09.1851, in: Stammbuch des Dirigenten August Julius Ferdinand Böhme, Staats-, Landes- und Universitätsbibliothek Dresden (D-Dl), Sign. Mscr.Dresd.App.1912, Bl. 7r.

[7] „allein“ über gestrichenem „sowohl“ eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.10.2020).