Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Mein theuerster, hochverehrtester Meister!

Gleichzeitig mit Ihrem Brief erhielt ich auch einige Zeilen von dem Organist Herrstell ebenfalls wegen des Textes des Oratoriums. Ich habe ihm denselben augenblicklich geschickt, da hier die Druckerei keineswegs von der Beschaffenheit ist, daß sie in dieser Zeit u. auf eine den dortigen Anforderungen genügenden Weise den Text herzustellen vermöchte, u., das ist ein zweiter Grund,1 einige neu hinzugekommene Sätze, welche ich verlegt habe, aus der Partitur entnommen werden müssen. Letzterm u. überhaupt der Zurichtung des Textes zum Druck, will sich Herrstell unterziehen. Für eine der Correctur mächtige Hand will er auch Sorge tragen. So wäre dies ebenfalls beseitigt.
Daß das Männerchor im zweiten Theile die Sänger sehr ermüdet, kann ich mir wol denken. Ich bin deßhalb auch dafür, daß mindestens die Wiederholung des Satzes: die Himmel Herr erzählen deine Ehre pp. mit dem vorhergehenden Fugato-Satze: Ein Tag sagt es dem andern pp. weggelassen werde, so daß von dem Männerchor noch übrigbliebe: „Vater du verstehest meine Worte pp. denn das sich an dies gleich anschließende: „die Himmel Herr, erzählen deine Ehre pp. u. nur gleich darauf das: „Ewig will ich kindlich an dir hängen pp.2 Diese 3 Sätze möchte ich doch gern beibehalten wissen; ich zähle sie mit zu dem Besten im Oratorium; sie scheinen mir ein nicht oberflächliches Gefühl zu erregen. Und durch Hinweglassung der bezeichneten Theile ist das ganze Männerchor wenigstens um die Hälfte kürzer geworden. –
Worauf ich noch sehr gespannt bin, das ist das Chor: „O, wenn der Herr wird die Gefangenen Zions erlösen“ pp. Wenn ich nicht irre, so ist dieser Satz das Beste im ganzen Oratorium.
Ich hätte noch Manches auf dem Herzen, doch die Zeit ist herum; der Brief muß auf die Post. –
Ein Centnerstein ist mir von dem Herzen, daß Sie, mein theuerster Meister, die Instrumentation erträglich gefunden haben.
Mit der Bitte mir Ihr Wohlwollen zu erhalten, bin ich mit unbegrenzter Liebe u. Verehrung ewig

Ihr
ganz ergebenster
F. Kühmstedt

Eisenach am 31t Mrz
1852.

Autor(en): Kühmstedt, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Herstell, Adolph
Erwähnte Kompositionen: Kühmstedt, Friedrich : Die Verklärung des Herrn
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852033140

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Kühmstedt. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kühmstedt an Spohr, 14.04.1852.

[1] Hier gestrichen: „die“.

[2] Vgl. Friedrich Kühmstedt, Die Verklärung des Herrn, Erfurt und Leipzig o.J., S. 141-152.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (17.08.2020).