Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Euer Hochwohlgeboren

werden entschuldigen, wenn ich mir die Freiheit nehme, Sie mit einer Bitte zu belästigen. Vor mehreren Jahren hatte ich das Unglück, Ihr mir so theures und ehrenvolles Zeugniß, welches ich bei meinem Abgange von Cassel von Ihnen erhielt, durch die Nachläßigkeit eines benachbarten Comite’s, wohin ich es geschickt hatte, zu verlieren
Da ich augenblicklich in der Lage bin, daß ein Zeugniß von Ihnen, geehrtester Herr Capellmeister, mir vom größten Nutzen sein würde1, so wage ich es, Sie um ein nochmaliges Attest zu ersuchen. Es ist zwar schon eine geraume Zeit, daß ich die Ehre hatte Ihren Unterricht zu genißen und zweifle fast ob Sie, bei der großen Anzahl Ihrer Schüler, sich meiner noch erinnern, ich versuche es daher, mich in Ihr Gedächtniß zurückzurufen. Ich empfing Ihren Unterricht zu gleicher Zeit mit J. Bott, Böhm, Wegener, Witig, Bode etc. Mit Letzterem habe ich häufig Doppel-Concerte vorgetragen, auch wirkte ich häufig bei den Quartetten der Gräfin Malsburg und fast in allen Concerten mit. Auch durfte ich mir schmeicheln, daß Sie mit mir zufrieden waren und hatten Sie mich auf meinem Zeugniß: als brillanten Solo- und ausgezeichneten Orchesterspieler bezeichnet. Wenn ich auch in der letzten Zeit durch meine hiesige Stellung mehr dirigiert als gespielt habe, so kann ich Ihnen doch die Versicherung geben, daß ich mein Violinspiel nicht vernachläßigt habe.
Auf Ihre Güte bauend, bitte ich Sie die Erfüllung meiner Bitte zu genehmigen und mich, wenn es möglich wäre, noch in dieser Woche, mit einem neuen Zeugniß zu beglücken, da vielleicht eine dauernde Existenz für mich davon abhangen wird.
Mit vollkommenster Hochachtung zeichnet Ihr

ewig dankbarer Schüler
Fritz Wenigmann.
Musikdirector

Bonn den 30. März 1852.

Autor(en): Wenigmann, Fritz
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bode, Eduard
Böhme, Ferdinand
Bott, Jean Joseph
Malsburg, Caroline von der
Wegener, Ernst August
Wittich, Carl
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Aachen
Kassel
Erwähnte Institutionen: Städtisches Orchester <Aachen>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852033040

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Wenigmann an Spohr, 21.10.1842.

[1] Bereits im Februar war Wenigmann als Konzertmeister des städtischen Orchesters in Aachen designiert (vgl. „[Man schreibt ferner aus Bonn]“, in: Echo der Gegenwart 20.02.1852, nicht paginiert). Der städtische Musikdirektor Carl von Turányi schlug dagegen den Hamburger Konzertmeister und Spohr-Schüler Hermann Ballin vor (vgl. Zdenka Kapko-ForetiÍ, Carl von Turányi (1805-1874) (= Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte 99), Köln 1973, S. 39).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (21.02.2022).