Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeboren
dem Herrn Musikdirector Dr. Spohr in Cassel


Ew. Hochwohlgeboren

wollen die Freiheit, welche der gehorsamst Unterzeichnete sich mit Gegenwärtigem nimmt, mit der gütigen und nachsichtsvollen Freundlichkeit, wie mir oft wohl schon nicht verebens in Anspruch genommen ist, entschuldigen, und eine ganz gehorsamst ausgesprochne Bitte deren Erfüllung Ihnen so leicht und einem jungen Manne1, für welchen ich das Wort zu führen wage, so wichtig und entscheident ist, mit derselben Freundlichkeit gewähren.
Es hat nämlich dieser junge Mann in Leipzig und Breslau Musik studirt und als eine Probe seiner Fähigkeiten uns, seinen Bekannten, einige Motette mitgetheilt. Da es uns nun so gar sehr darauf ankommt, zu wissen, in wie weit diese Arbeit den künstlerischen Forderungen entspricht, weil hieran seine nächste Zukunft abhängen wird, wir aber durchaus ohne Urtheil in vieler Beziehung sind, auch Niemand in unsrer Nähe wüßten, dem wir ein solches zutraun könnten, so habe ich vor nun schon längerer Zeit mit dem Gedanken getragen, Ew. Hochwohlgeboren ganz gehorsamst darum zu bitten, wie denn der junge Mann, welcher übrigens von dem, was wir für ihn wagen, nichts weiß zu Ostern geäußert hat, wie er nichts sehnlicher wünscht, als ein Urtheil von Ihnen, hochverehrter Herr. Wir haben es aber bisher nicht wagen mögen, Ew. Hochwohlgeboren in Ihrer hohen Stellung ohnehin genügsam belästigt, mit einer solchen noch unsrer Seits zu beschweren, wage es aber dennoch im Vertraun auf Ihre freundliche Geduld und Ihre Bereitwilligkeit, einem jungen Manne durch Ihr Urtheil, es möge aus fallen wie es wolle, zur Entschiedung für sein späters Leben zu verhelfen, und bitte deshalb, unter Anlegung der betr. Musikstücke, ganz gehorsamst, mit zwei Worten – bedarf es doch für Sie nur eines Blickes, welchen, um ihren Werth oder Unwerth zu beurtheilen. – uns Ihr Urtheil zu kommen zu lassen. Es würde uns ja eine sehr große Freude sein, wenn Ew. Hochwohlgeboren sich günstig darüber äußern könnte, wir werden aber eben so dankbar ein andres Urtheil aufnehmen, weil wir dann für die Zukunft des jungen Mannes eine Entscheidung treffen können, wie es bis jetzt nicht wohl möglich ist.
Damit Ew. Hochwohlgeboren mir abnehmen, wie ich nicht so leicht einen Schritt wie diesen wagen zu dürfen glaubte, darf ich auch bemerkten, daß ich schon vor einiger Zeit mich an einen höheren Kreisen angehörende Bekannten welchen ich auch in Cassel glaubte, mit der Bitte wandte, falls derselbe sich Ihnen nähern könne bei Ihnen anzufragen, ob ich ein solches wohl erlauben dürfe. Da dieser sich aber nicht mehr dort aufhält, und ich sonst Niemand dort kenne, so habe ich in Gottes Namen, den Erfolg ihm anheim stellend, den nächsten, geraden Weg gewählt, und bedarf es ja nicht der Versicherung, wie sehr Ew. Hochwohlgeboren durch freundliche Erfüllung dieser meiner Bitte mich und d. Familie des jungen Mannes zu Dankbarkeit verpflichten würden.
Sollten Ew. Hochwohlgeboren aber diese unsre gehorsamste Bitte nicht erfüllen könne, so darf ich doch d. Bitte hinzufügen, unsre Dreistigkeit entschuldigen zu wollen und der beifolgend an die unterzeichnete Addresse gütigst zurücksenden zu lassen.
Mit aufrichtiger Verehrung

Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster
A. Moraht, Dr.
Pastor prim. zu Möllen
im Herzogthum Lauenburg

Möllen, den 16 März 1852.

P.S dürfte ich die gehorsamst erbetene Rücksendung „über Lübeck“ erhalten?

Autor(en): Morath, Adolph
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Catenhusen, August
Erwähnte Kompositionen: Catenhusen, August : Mottetten
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852031647

Spohr



Spohr beantwortete diesen Brief am 01.04.1852.

[1] August Catenhusen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.11.2019).