Louis Spohr an Bernhard Molique in London

Sr. Wohlgeb
Herrn Concertmeister
Mollique
in
London.
 
9 Houghton place
Mornington Crescent
 
 
Cassel den 4^ten März
1852.
 
Hochgeehrter Herr und Freund,
 
Der Überbringer dieser Zeilen ist ein talentvoller und liebenswürdiger Künstler, Namens Bernhard Hildebrand, Pathe und Enkel von Bernhard Romberg. Er hat als Violoncellist den ersten Unterricht noch von seinem Großvater gehabt. Er war den¹ vorigen Winter über mit seiner Mutter hier in Cassel, um unter meiner Leitung zu studiren; schon damals war er in Betracht seiner Jugend sehr ausgezeichnet, hat aber nun in Paris noch neuerdings große Fortschritte gemacht und über seine Mitbewerber im Conservatoire den Preis erhalten. Er ist ein unverdorbener höchst liebenswürdiger junger Mensch, der in jeder Hinsicht zu mpfehlen ist. Ich brauche daher wohl nicht erst zu bitten, daß Sie sich freundlich seiner annehmen, und ihn und seine Mutter² mit Ihrem gütigen Rath unterstüzten wollen. - Vielleicht wird mir die Freude zu theil, Sie in diesem Frühjahr in London zu sehen, da ich von dem Unternehmer³ der italiänischen Oper⁴ eine Einladung erhalten habe, meine Oper „Faust” zu der ich jetzt die Rezitative schreibe, während der Saison zu dirigiren. Die Hauptschwierigkeit ist nun, daß ich mir den Reiseurlaub erwirke!
Leben Sie wohl. Mit wahrer Freundschaft
 
der Ihrige
Louis Spohr.