Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Ew. Hochwohlgeboren1

beehre ich mich, die ergebenste Mittheilung zu machen, dass ich im Auftrag der Frau Pütz-Steidler, erste Sängerin beim hies. Hoftheater, die ergeben Anfrage bei Ew. Hochwohlgeb. mache, ob keine Hindernisse für das Auftreten der Frau Pütz-Steidler in Cassel entgegenstehen, und würde dann genannte Dame Ihr Repertoir einsenden. Frau Pütz-Steidler hat nemlich in der Theaterchronik ersehen, dass Fräulein Meyer in Berlin gastirt und das. vielleicht ein engagement annimmt, und in diesem Falle würde es Ew. Hochwohlgeb. jeden Falls angenehm sein, eine tüchtig geschulte Sängerin gastiren zu lassen.
Frau Pütz hat seit dem Beginn der Theatersaison v. Januar in allen Parthien, als z.B. Anna in Don Juan, Contessa in Figaro’s Hochzeit, Adler’s Horst, Freischütz (Agathe) Hugenotten (Valentine) Norma, Belisar sehr gefallen und namentlich für dramatischen Gesang sehr zu empfehlen. Das Stimmorgan der pp. Dame ist kräftig & dabei angenehm, gut geschult und auch über die Intonation, Vortrag und Spiel kann man sich nur loben und aussprechen(???). Auch in den geehrten Opern Ew. Hochwohlgeb. ist Frau Pütz einstudirt. Frau Pütz läßt Ew. Hochwohlgeb. in meinem Namen ganz ergebenst ersuchen, durch Dero hohen Einfluss bei der dortigen Theaterintendanz wenn möglich zu bewirken, dass genannte pp Pütz auf mehrere Gastdarstellungen eingeladen würde, da sie beabsichtigt ein festes engagement bei einem größeren Hoftheater zu erzielen.
Frau Pütz war vor mehreren Jahren als Fräulein Steidler namentl. in Leipzig als sehr routinirte Sängerin bekannt und ist es auch noch.
Ew. Hochwohlgeb. werden entschuldigen, dass ich das Quartett-Concert noch nicht retour gesandt, da ich selbiges mit meinem Bruder & den übrigen Mitgliedern des Musikvereins zur StiftungsLoge, ohngefähr Anfags Mai mit Orchester zur Aufführung bringen wollen und gern die gestochenen Stimmen zu diesem Zwecke hätten. Mit Pianofort. haben wir dieses glanzvolle Werk schon gespielt, so wie wir auch das Sextett Ew. Hochwohlgeb., was ich durch Körner in Erfurt bezogen, nochmals probirt & nächstens executiren werden. Es war uns noch neu (op. 140), und haben wir für unsern Verein ein so ausgezeichnet gelungenes Werk für Cammermusik mehr.
Die Euterpe (Hermanns, Uhlrich etc.) hat durch neuliche Zwistigkeiten einen bedauernden Stoß erhalten.
Wenn es meine finanziellen Verhältnisse einigermaßen gestatten, werde ich gegen Ostern, zu welcher Zeit das Theater geschlossen wird, den Cursus bei Ew. Hochwohlgeb. fortsetzen, da ich einen Urlaub von 3 Wochen hoffentlich erhalten werde.
Die Geige, welche Ew. Hochwohlgeboren H. Uhlrich vor längerer Zeit überlassen, befindet sich in den Händen dessen Bruders, Violinist in Leipzig.
Statt der Gesangscene, welche ich so gern in einem der hiesig. Abonnements-Concerte gespielt hätte, habe ich das 9. Concert Ew. Hochwohlgeb. gewählt und äußerst felißig noch daran studirt, da mein Bruder die Gesangscene in dem 2. Concerte (Novbr) vortrug.
Schließlich erlaube ich mir noch eine Bitte. Tags vor meiner Abreise von Cassel war meine Zeit durch Aufführung einger Solopiecen in einem Quartettcircel bei H. Hübner2 so sehr bedrängt worden, dass es mir nicht möglich war, Dero werthes Portrait mit dem facsimile und einem citate aus den Kreuzfahrern anzukaufen3, und würde Ew. Hochwohlgeb. mir eine sehr große Freude machen, wenn Ew. Hochwohlgeb. mir ein Exemplar gütigst übersendeten.
Frau Pütz, so wie deren Gemahl, z.Z. hier Mitdirektor im Verein mit Böttner in Frankfurt a/o,4 und früher zweiter Capellmeister in Cöln lassen sich Ew. Hochwohlgeb. bestens empfehlen.
Eine geneigte Antwort auf meine Anfrage wegen der Gastdarstellung etc. bitte ich, gefälligst an mich richten zu wollen.
Hochachtungsvoll empfiehlt sich

Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster Schüler
Louis Hässler.

Sondershausen,
den 26/2 52.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Haessler an Spohr, 03.10.1850. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Zwischen Anrede und Brieftext befindet sich die handschriftliche Notiz des Kasseler Intendanten Josias von Heeringen für Spohr, 10.03.1852.

[2] Vermutlich eher Carl Hübner, Musikmeister im 1. Infantrieregiment Kurfüst, als Georg Hübner, Sekretär bei der Generaldirektion des Baus der Staatseisenbahnen (vgl. Casselsches Adreß-Buch (1850), S. 123).

[3] Ein Spohr-Porträt mit Zitat aus Die Kreuzfahrer ist derzeit nicht bekannt. Vielleicht meint Haessler den Druck der Lithografie von Wilhelm Pfaff, die um 1850 bei Luckhardt erschien, und neben dem Faksimile von Spohrs Unterschrift ein Zitat aus Spohrs Streichsextett enthält (vgl. Herfried Homburg, „Bildnisse Louis Spohrs. Eine vorläufige Bestandsaufnahme”, in: Louis Spohr. Festschrift und Ausstellungskatalog zum 200. Geburtstag, hrsg. v. Hartmut Becker und Rainer Krempien (= Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitzt Ausstellungskatalog 22), Kassel 1984, S. 209-230, hier S. 218).

[4] Vgl. „Für die Monate Januar, Februar, März und April dirigirt Hr. „Für die Monate Januar, Februar, März und April dirigirt Hr. W. Böttner gleichzeitig das Fürstliche Hoftheater zu Sondershausen und für die Monate Mai, Juni, Juli und August das Sommertheater zu Frankfurt a.O.“ (Almanach für Freunde der Schauspielkunst 17 (1853), S. 123).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (28.07.2020).