Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Mein theuerster, hochverehrtester, lieber Meister!

Sie haben mir durch Ihren lieben Brief eine unaussprechliche Freude bereitet. Habe ich auch jetzt keine Worte, bin ich auch jetzt außer Stande, Ihnen zu schildern, was ich fühle, u. wie mein Herz voll ist, von Dank, Liebe u. Verehrung gegen Sie, so denke ich, gönnt uns das Schicksal noch länger zu leben, es Ihnen noch zu bethätigen. Daß Sie mein Oratorium zu einer Aufführung am Charfreitag zu bringen die Güte haben wollen, ist mir ganz recht, ja ist mir grade von ganz besonderem Werthe. Woran mir nämlich Alles liegt, sowol der musikalischen als nicht musikalischen Welt gegenüber, was mir vom allerhöchsten u. jetzt vom alleinigen Werth ist, das ist, das es heißt: Spohr hat das Oratorium u. seiner eigenen Leitung für werth erachtet. Das leistet mir u. der Arbeit einen gewaltigen Vorschub, giebt mir u. der Arbeit einen bestimmten Werth in den Augen des Publicums, mag auch dann die Kritik schwatzen, was sie will. Kömmt also die Aufführung in der von Ihnen beabsichtigten Weise zu Stande1 u. habe ich mich dann noch einiger empfehlender Winke in Bezug auf meine Theorie zu erfreuen, so bin ich der festen Überzeugung, es wird mir gelingen, meine Verhältnisse u. zwar aus eigener Kraft besser zu gestalten. – Der Himmel gebe seinen Segen dazu.
Vorerst übersende Ihnen, theuerster Meister! den zweiten Theil in Partitur u. Clavierauszug. Der erste Theil, den Körner in Erfurt noch in den Händen hat, den ich aber in jedem Augenblick erwarte, wird Morgen oder Übermorgen, so wie ich ihn erhalte, nachfolgen. – Auch habe ich mir erlaubt gleich einstweilen 5 Rth. beizulegen zur Bestreitung der Kosten2 für das Ausschreiben so wol Sing- als auch der Orchesterstimmen. Hier brauchte ich sie nicht ausschreiben zu lassen, weil es bis jetzt zwecklos gewesen wäre, zumal die Hoffnung da war, sie in Bälde gedruckt zu haben. So bald es sich nöthig macht – Sie dürften dies mir nur, damit Sie nicht zu viel Zeit verlören, durch Herrstell gütigst wissen lassen – werde ich augenblicklich das noch fehlende Geld nachsenden. Und sollte es mich 50 Rth. kosten. Mit Freuden wende ich das daran, wenn ich nur das Glück habe, daß das Oratorium zum Charfreitag unter Ihrer Leitung zur Aufführung kömmt.
Mit unbegrenzter Liebe u. Verehrung

Ihr
ergebenster
F. Kühmstedt

Eisenach am 26t Jan.
1852.

Autor(en): Kühmstedt, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Herstell, Adolph
Körner, Gotthilf Wilhelm
Erwähnte Kompositionen: Kühmstedt, Friedrich : Die Verklärung des Herrn
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Körner <Erfurt>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1852012640

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Kühmstedt. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Kühmstedt an Spohr, 01.02.1852.

[1] Zur Aufführung vgl. Spohr an Andreas Ketschau, 08.05.1852; Fr. Schmidt, „Kassel, 15. April (Kühmstedt)“, in: Urania 9 (1852), S. 90f.

[2] „der Kosten“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (12.08.2020).