Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Hochwohlgeborner Herr!
Obgleich meine Zuschrift für Ew. Hochwohlgeboren nur eine Belästigung sein muß, so kann ich mir die Feiheit doch nicht versagen, Ew. Hochwohlgeboren zu den bevorstehenden neuen Jahr meine herzlichen Glückwünsche ganz ergebenst darzubringen, und wünsche von ganzen Herzen, daß der Vater im Himmel Sie und die werthen Ihrigen noch recht viele, viele Jahre gesund erhalten und noch viele Freuden erleben lassen möge, den Wunsch werden gewiß alle Tonkünstler und Freunde der klassischen Musik mit mir theilen, daß uns die Vorsehung den noch einzigen Stern auf dieser Erde noch recht lange leuchten und uns mit seinem seelen und gefühlvollen, himmlischen Strahlen der Melodien und Harmonie beglücken lassen möge. Ew. Hochwohlgeboren Compositionen, namentlich die Adagio, machen auf mich immer einen ganz eigenen Eindruck und sogar Menschen, die gar nichts von Musik verstehen, werden dadurch bis zu Thränen gerührt, als wir neulich die Trio für Pianoforte, Violin und Violoncelle Opus 119.123. und 124 auf meiner Stube machten, kam ein Bauersmann, der etwas mit mir sprechen wollte, dazu, er erbot sich die Erlaubtniß1 etwas zuhören zu dürfen, wir hatten aber kaum den dritten Theil von dem Larghetto aus Opus 119. (bei dem mir auch immer die Thränen auf die Violine herabrollen) gespielt, als dieser Mann, obgleich die Aufführung nicht gut zu nennen war, wie ein Kind an zu weinen fing und mir auf meine Frage, ob er unwohlsei, antwortete; es sei ihm ganz wohl, die Musik, die himmlische Musik wäre die Veranlassung, er wünsche weiter nichts, als daß er wenigsten alle Feiertage eine solche Musik in der Kirche hörte, diese würde die Menschen mehr zum Guten führen, als die Predigten manches Geistlichen; gewiß ein untrüglicher Beweis für den großen Werth dieser Tonstücke. Ew. Hochwohlgeboren habe ich auch noch meinen ganz ergebensten Dank zu sagen, für die Güte, mit welcher Sie meinen Sohn so bereitwillig die Adresse Ihrer Frau Tochter in Amerika angaben2, daß er am 21 September glücklich in Baltimore angekommen ist, hat er mir bereits wissen lassen, hoffentlich wird er sein Auskommen finden, und seinen großen Leichtsinn nun einmal ablegen und einsehen, wie unrecht er handelte, daß er, als er so glücklich war, um Ew. Hochwohlgeb. zu sein und meinen so ausgezeichneten Mann zum Lehrer und Vorbild zu haben, sich nicht die größte Mühe gab, Ihnen die größte Freude und Ehre zu machen und auch später Ew. Hochwohlgeboren, der immer so liebevoll und väterlich an ihn handelte, nicht von Zeit zu Zeit um Ihren gütigen Rath gebeten und darnach gehandelt hat. Ich schätze mich ganz glücklich von einem Mann, der als Tondichter, so wie Tonkünstler auf der höchsten Rufe steht, mit so gütigen Schreiben und Uebersendung seinen himmlischen Compositionen geehrt worden zu sein, ich so wohl wie mein Sohn stehen noch als große Schuldner Ew. Hochwohlgeboren da, und aller Ueberlegung ungeachtet, kann ich nichts herausfinden, womit ich Ew. Hochwohlgeb. unser Erkenntlichkeit beweisen könnte, ganz zu vergelten liegt zwar nicht in meiner Macht, doch möchte ich nicht als Undankbarer dastehen und würde mich sehr erfreuen, wenn Ew. Hochwohlgeboren mir bald Gelegenheit gäben, einen Theil meiner Schuld abzutragen.
Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich um Ihre fernere Wohlgewogenheit, bitte Ihrer Frau Gemahlin mich ganz ergebenst zu empfehlen und verharre mit der ausgezeichnetsten Hochachtung
Ew. Hochwohlgeboren
ganz ergebensten Diener
Carl. Mahr.
Autor(en): | Mahr, Johann Christian Carl |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Mahr, Johann Carl Sebastian Zahn, Emilie |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Trios, Vl Vc Kl, op. 119 Spohr, Louis : Trios, Vl Vc Kl, op. 123 Spohr, Louis : Trios, Vl Vc Kl, op. 124 |
Erwähnte Orte: | Baltimore |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1851123040 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Mahr an Spohr, 30.12.1850. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Mahr an Spohr, 02.09.1852, aus dem sich noch ein weiterer, derzeit verschollener Brief von Spohr an Mahr erschließen lässt.
[1] Sic!
[2] Sowohl der Brief an Johann Carl Sebastian Mahr als auch der Empfehlungsbrief an Emilie Zahn sind derzeit verschollen.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (09.05.2022).