Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr
Hochwohlgeboren, dem
Hn Dr Louis Spohr
zu
(Hessen) Kassel

Frey.


St. Georgen den 22ten D. 1851.

Hochgeehrtester Herr!

Gestern habe ich ein Packet mit Musikalien an Sie abgeschickt. Den dort beiliegenden Brief, so wie auch den 2ten u. 3ten Brief1, den ich an Sie schrieb, hat mir allemal mein Vater in die Hand dicktiert. In diesem Briefe, den ich ohne meines Vaters Wissen, dem Packet nachsende, da mir die Gelegenheit fehlte, ihn demselben heimlich noch beizulegen, hören Sie die Stimme meines Innern.
Wenn ich einmal nach Kassel komme, was geschieht sobald ich die Mittel dazu habe, will ich Ihnen danken, – danken aus voller Seele – wie Sie es an mir vielfach verdient haben edler groser Mann, danken – besonders für Ihr Zeugniß, das mich ueberrascht, ergriffen, u. zu wahrer Seeligkeit erhoben hat; jetzt will ich Ihnen nur kurz zum neuen Jahre alles Glück wuenschen, das aus Liebe u. Verehrung nur immer ein menschliches Herz dem geliebten Gegenstande wuenschen kann, Unsterblichkeit so lange musiziert wird u. dann wil ich den eigentlichen Zweck dieses Briefes andeuten. Doch kann ich Alles nur in höchster Eile.
Meine unglückliche Lage sehen Sie in dem, dem Packet beiligenden Briefe wahr geschildert. Mein Klavier – lieber Gott – mein Alles – ist hin. Keinen Ton Musik hören; keine Hoffnung auf Unterstützung; (bald zähle ich zwanzig Jahre;) kein verständiger Mensch mit dem ich reden kann, in diesem Käffernland; dabei eine Seele voll Feuer u. Liebe; o! es ist traurig! Sie sind edel! Gewähren Sie mir deßhalb folgende Bitte.
„Senden Sie mir, wenn Sie können, mit der Beurtheilung der Ouvertüre, eine Ihrer Opern zum Weihnachtsgeschenk, versehen mit einem Sinnspruch, oder so etwas, das mich ewig an Sie erinnern wird. Können Sie mir die Bitte nicht gewaehren, so erwaehnen Sie in Ihrer Antwort nichts von diesem Briefe.“
Ich habe wenig klassische Musik. Von Ihnen ein Duett aus As Dur2 aus Jessonda ist Alles. Wie sehr mir das Duett an's Herz gewachsen ist, haben Sie wohl schon in meinen Compositionen gesehen. O wie herrlich würde mich eine Oper von Ihnen, die ich anzuschaffen die Mittel nicht habe, fördern! Und dann – der Hauptgrund, warum ich einen Spruch von Ihrer Hand beigesetzt wünsche, – – – – Ich wünsche Ihnen noch langes Leben, aber die Natur wird endlich Ihre Rechte fordern. Alles Schöne geht zu Grunde.
Wenn ich nach Jahren noch lebe und Sie sind todt, wenn ich dann dem hohen Meister Spohr eine Thräne nachsende über's Grab, (o!) so will ich dieses Geschenk, das ich wünsche, zur Hand nehmen u. Ihrer liebevoll gedenken u. für Sie beten aus voller Seele!
Wenn Sie mir aber, statt mir eine Gabe zum Christtage zu schencken – zuernten; – ich verlöre Allen Glauben an die Menschheit!
Wie mich das Geschenk freuen wird, – Niemand wird dieses Neujahr glücklicher sein!
Voll Liebe und Dankbarkeit
zeichnet

Ihr hoffender
F. Keppner.

Wenn Sie mir den Wunsch auch nicht gewähren – nur zürnen Sie mir nicht.

Autor(en): Keppner, Franz Joseph (Sohn)
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Keppner, Franz Joseph (Vater)
Erwähnte Kompositionen: Keppner, Franz Joseph : Ouvertüre (1851)
Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1851122246

Spohr



Dieser Brief folgt in dieser Korrespondenz unmittelbar auf Keppner an Spohr, 21.12.1851. Spohr beantwortete beide Briefe am 28.12.1851.

[1] Wohl Keppner an Spohr 25.02.1850 und 22.09.1850.

[2] Das Duett Nr. 18 zwischen Nadori und Amazili („Schönes Mädchen, wirst mich hassen“), das in Einzelausgaben u.a. 1826 bei Peters (mit Gitarrenbegleitung) und 1827 bei Laue in Berlin erschienen war.

Kommentar und Verschlagwortung, sofern in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Wolfram Boder (26.09.2019).