Anna Bochkoltz-Falconi an Louis Spohr in Kassel

Hochzuverehrender Herr Kapellmeister,

Die hohe Bewunderung die ich stets für das großartige, edle Talent unseres berühmten Spohr gehabt, giebt den Muth mir, Ihnen eine große, vielleicht unbescheiden erscheinende Bitte vorzutragen, deren Erfüllung mich indeß unendlich glücklich machen würde.
Seit Beginn meiner Künstlerlaufbahn legte ich mir ein kleines Musik-Album an, welches bis heute schon viele bedeutende Handschriften enthält, wie die Spontini’s, Rossini’s, Meyerbeer’s, Lindpaintner, etc und muß ich gestehn, daß ich keine so sehr ambitioniren könnte jetzt als die Ihrige, sehr geschätzter Herr Kapellmeister, dessen herrliche Compositionen ich so gerne, – mit so großer Vorliege singe, daß ich selbst vorhabe kommenden Winter in den Concerten des Conservatoir in Paris, selbe vorzutragen u. das Pariser Publikum bekannt zu machen mit einigen der herrlichsten Arien, die unsere deutschen Compositionen besitzen, und deren Vortrag meine ganze Seele anspricht! –
Ich erlaube mir Ihnen die Programme der beiden Concerte beizufügen die ich hier in Homburg gegeben, indem ich bedaure nicht selbst nach Cassel gehen uzu können, mit dem Vorbehalte jedoch vielleicht ein anderes Jahr zu einer gelegenen Zeit dort einige Gastvorstellungen geben zu können.
Da ich in diesen Tagen Homburg verlasse u. auch in Francfurt noch nicht gewiß bin mich länger als 1-2 Tage aufzuhalten, so bitte ich recht dringend mir das Album schnellst möglich dorthin zurückzusenden, u. zwar an die Adresse des H. André, Zeil – Francfurt.
Indem ich Sie zum Voraus meines allerherzlichsten Dankes versichere, bitte ich Sie, hochverehrter Herr Kapellmeister, die Ausdrücke meiner aufrichtigsten Hochachtung und bewunderung zu genehmigen, mit der ich verbleibe

Ihre ganz ergebene
Anna Bochkoltz-Falconi
v. KK. Theater „Alla Scala“ in Mailand.