Autograf: Stanford University Music Library (US-STum), Sign. MLM 979E

Sr. Wohlgeb.
Herrn Concertmeister David
in
Leipzig.

franco.


Cassel den 7ten Sept.
1851.

Geehrter Freund,

Zwei englische junge Damen, die Schwestern Sophie und Isabella Dulcken, 16 und 15 Jahr alt gaben gestern Abend hier Concert, und entzückten ihr Publikum in hohem Grade. Die älteste ist Pianistin, die andre spielt ein hier noch unbekanntes, in England erfundenes, oder vervollkommnetes Instrument, die Concertina. So sehr nun auch die älteste durch bedeutende Fertigkeit und gute Schule exelirt, so erringt sie doch, bey der Menge guter Clavierspieler, bey weitem nicht das Interesse wie die jüngste, die ihr reizendes Instrument mit einem Ausdruck und einem [???] behandelt, wovon wir alle hingerissen waren. Sie spielte unter anderm mein spanisches Rondo mit einem Vortrag und einer Nettigkeit, die nichts zu wünschen übrig ließen. Am meisten entzückt sie jedoch mit den Kompositionen, die für das Instrument geschrieben sind, besonders mit denen von Regondi, der es erfunden oder zu seiner jetzigen Höhe gebracht hat.
Die Mutter dieser jungen Künstlerinnen, Madame Dulcken(, die, obgleich mit Ihnen verwandt1, noch nicht das Vergnügen hat Sie persönlich zu kennen,) hegt den Wunsch, ihre Töchter in Leipzig auftreten zu lassen, bevor sie eine größere Reise über Berlin und Warschau nach Petersburg mit ihnen antreten wird. Ich habe es übernommen bey der Direction der Gewandhausconcerte anzufragen, ob sie geneigt sey, diese jungen Künstlerinnen im 1sten ihrer Concerte auftreten zu lassen, und wende mich nun an Sie mit der Bitte, den Vermittler gütigst machen zu wollen. Ich rieth Madame Dulcken dazu, weil ich die Überzeugung habe, daß wenn man das Schwesterpaar besonders aber die jüngste erst gehört hat, sie dann mit Erfolg ein eigenes Concert geben können.2 - Ich bitte nun mich baldgefälligst die Antwort der Direction wissen zu lassen, so wie im Fall der Bejahung, auch den Tag des ersten Concerts. Madame Dulcken wird mir bey Ihrer Abreise von hier ihre Adresse geben, damit ich sie benachrichtigen kann.
Mit der Bitte, mich Ihrer Frau Gemahlin zu empfehlen, herzlichst

der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): David, Ferdinand
Erwähnte Personen: Dulcken, Auguste
Dulcken, Isabella
Dulcken, Sophie
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Berlin
Kassel
Leipzig
St. Petersburg
Warschau
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1851090710

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist David an Spohr, 24.04.1843. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an David, 09.11.1852.

[1] Davids Schwester Louise war mit Theobald Dulcken verheiratet, einem Bruder von Heinrich, dem Ehemann von Auguste Dulcken (vgl. Anja Herold, „Dulcken, Familie“, in: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Freia Hoffmann, Bremen 2008).

[2] Vgl. „Leipzig“, in: Neue Berliner Musikzeitung 5 (1851), S. 349.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (07.06.2017).