Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochgeehrter Herr!

Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen eine gedruckte Copie meines Trio’s1 zuzusenden, und ergreife zugleich, durch Ihre freundliche Herablassung ermuntert, diese Gelegenheit, Ihnen eine andere meiner schwachen Compositionen im Manuscripte anzubieten: ein Quartett für Zwei Violinen, Bratsche und Violoncell, welches ich mit besonderer Sorgfalt copirt habe.2
Im Falle Sie mein Werk mit einer Probe beehren wollen, erlauben Sie mir die Bemerkung, daß ich hier bey oftmaliger Execution stets bedeutende Schwierigkeit fand, daß die Spieler denselben Effect hervorbringen, welchen ich Seite 7 der Partitur hervorzubringen wünschte, da, wo nämlich dem Violoncell die Haupt-, und den andern Instrumenten, eine mehr ausgearbeitete (ich möchte beinahe sagen, secundären) Begleitung zugewiesen ist.
Selbst dann, wenn die erste Violine die Figur der folgenden Passage in Sechzehntheilnoten anticipirt, wünschte ich die Begleitung ganz „sotto voce assai“, und das Violoncell mehr vervorragend zu wissen, was auch auf Seite 22 u. 25 der Partitur Bezug hat, obgleich derselbe Effect mit weit weniger Schwierigkeit zu erreichen ist.
Letzte Saison hatte ich das Vergnügen, in den National-Conzerten von Her Majesty’s Theatre, Ihre neueste Symphonie zu hören3, über welche Sie mir in Ihrem letzten freundlichst nähere Aufklärung gaben.
Wenn ich Ihnen auch das Entzücken, das ich bei Anhörung dieses Meisterwerkes empfand, mittheilen wollte oder könnte, würde es doch für Sie, hochgeschätzter Herr, zwecklos seyn, aber Sie erlauben mir die Bemerkung, daß es von von unserm braven Orchester vortrefflich ausgeführt wurde. Ich habe mich oft erkundigt, ob es bereits für Piano eingerichtet sey – und in meiner Inligenden Rückerinnerung zu [???] – aber ich erhielt bislang keine befriedigende Antwort.
Nehmen Sie von Neuem meinen aufrichtigsten Dank für Ihre Güte und freundliche Herablassung an, welche Sie mir zu jeder Zeit bewiesen und seyen Sie dafür stets versichert der unbegrenzten Hochachtung Hochachtung und Verehrung

Ihres
dankbar ergebenen,
gehorsamen Dieners
Charles Edward Stephens.

Stanley Place,
Paddington Green.
London. den 26ten Mai 1851.

Autor(en): Stephens, Charles Edward
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Jahreszeiten, op. 143
Stephens, Charles Edward : Quartette, Vl 1 2 Va Vc, WoO
Stephens, Charles Edward : Trios, Vl Vc Kl, op. 1
Erwähnte Orte: London
Erwähnte Institutionen: Grand National Concerts <London>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1851052644

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Stephens an Spohr 21.05.1850. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Charles Edward Stephens, Trio für Pianoforte, Violine und Violoncell, op. 1, Mainz [1851].

[2] Das erste von Stephens veröffentlichte Streichquartett op. 21 erschien erst 1881. Daher handelt es sich hier vermutlich um ein unveröffentlichtes Werk.

[3] Vgl. „Grand National Concerts“, in: Musical World 29 (1851), S. 1-4, hier S. 3.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.08.2024).