Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Verehrtester Herr Kapellmeister,
 
Wenn diese Antwort auf Ihren Brief vom 6ten d. M. später erfolgt als Sie mit Recht erwarten dürfen, so liegt die Ursache ganz einfach darin daß ich des Herrn Rolle nicht habhaft werden konnte. Er war verreißt, etc. etc. Erst heute, am Charfreitag, ist es mir gelungen u. ich beeile mich nun Ihnen zu melden: daß Rolle behauptet er habe bereits am 19ten März an Herrn Bochmann geschrieben, von diesem aber weder Antwort, noch Rücksendung seiner Atteste, erhalten. Sie werde leicht ermitten können ob diese Angabe richtig ist. Relato refero.1 Herr Rolle scheint bei den Aussichten, die ihm eröffnet worden sind, keine Lust zu der Stelle zu haben. Freilich ist es für ihn, einen völlig mittellosen Mann, dabei Familienvater, übel, eine Reise nach Cassel zur Prüfung, die doch möglicherweise ungünstig ausfallen kann, zu machen. Daneben will er erfahren haben, daß der Militärdienst äußerst strapaziös, Aussicht auf Pension nicht vorhanden sei. Kurz, er hat Bedenklichkeiten u. man muß ihm überlassen zu thun, was ihm beliebt. Ich habe ihn aber ernstlich aufgefodert auf der Stelle wieder nach Cassel zu schreiben u. ich hoffe, er wird Wort halten.
Einen guten Solo-Hornisten wüßte ich Ihnen im Augenblick nicht zu empfehlen. Was wir selbst haben ist mittel-gut, u. quantitativ nicht mehr als wir selber brauchen.
Für alles, was Sie die Güte hatten an Hauptmann2 u. mich selber freundliches wegen meiner Oper zu schreiben, sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank. Freilich scheinen mir die Aspecten zu einer Aufführung in Cassel beider Geschmacksrichtung des Hofes nicht sehr lockend. Sie ist durchgängig sehr ernst – auch wird nicht Schlittschuh darin gelaufen.3 Vorläufig will ich mich während der freiern Sommermonate damit beschäftigen die Oper einer energischen Kürzung zu unterwerfen; sie dauerte hier um eine Stunde zu lange; u. dann zum Herbst meinen Teil versuchen, auch Cassel nicht um[???]. Ich werde mir dann erlauben mich Ihrem besondern Schutze noch einmal zu empfehlen.
Mit allen Zeichen ernster(?) Verehrung
 
Ihr ganz ergebenster
Julius Rietz.
 
Leipzig den 18 April 1851.

Autor(en): Rietz, Julius
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hauptmann, Moritz
Rolle, F.A.
Erwähnte Kompositionen: Meyerbeer, Giacomo : Le prophète
Rietz, Julius : Der Korsar
Erwähnte Orte: Leipzig
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Musikkorps des Leibgarderegiments <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1851041843

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Rietz, 06.04.1851. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Rietz, 07.07.1856.
 
[1] „releato refero“ = Ich erzähle, was ich gehört habe.
 
[2] Bezieht sich wahrscheinlich auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Moritz Hauptmann, 19.03.1851.
 
[3] In Le prophète (1849, dt. EA 1850) von Giacomo Meyerbeer gibt es ein Ballett auf Schlittschuhen.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.05.2017).