Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. hist. litt. 15[195,33
Druck 1: Herfried Homburg, „Politische Äußerungen Louis Spohrs. Ein Beitrag zur Opposition Kasseler Künstler während der kurhessischen Verfassungskämpfe”, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 75/76 (1964/65), S. 545-568, hier S. 545 (teilweise)
Druck 2: Wolfram Boder, Die Kasseler Opern Louis Spohrs. Musikdramaturgie im sozialen Kontext, Kassel 2007, Bd. 1, S. 63 (teilweise)

Professor Taylor
care of Mr John Taylor
Printing office
Red Lion court, Fleet Street
London.
 
franco via Havre
 
 
Cassel den 10ten
März 1851.
 
Hochgeehrter Freund,
 
Ich freue mich, eine Veranlassung zu haben, mich einmal wieder mit Ihnen zu unterhalten; doch bedaure ich, Ihnen dadurch Mühe zu verursachen zu müssen! - der Secretaire der Unternehmer der Nazionalconzerte in London, Herr Thomas Williams, hat für diese Concerte meine 9te Sinfonie, „die Jahreszeiten“ verschrieben1 und ich hatte die Bedingung gestellt, daß das Honorar dafür mit 12 livres Sterling bezahlt werden sollte, sobald ich die Partitur eingeschickt hätte.2 Dieß ist nun schon im Monath November v. J. geschehen und bis jetzt habe ich das bedungene Honorar noch nicht empfangen. ich bin daher so frei, Sie zu bitten, daß Sie den Herrn Williams mahnen, und das Geld in Empfang nehmen wollen. Ich lege zu dem Behuf eine Quittung über die Summe bey, so wie einen der vielen Briefe des Herrn Williams, in welchem des Honorars gedacht ist. Da ich fast fürchte, daß das Geld schwer herauszupressen seyn wird, indem ich in einer Zeitung gelesen habe, daß die Unternehmer der Nazionalconcerte banquerott gemacht hatten[,] so bitte ich Sie mir im schlimmsten Fall wenigstens meine Partitur wieder zu verschaffen, weil ich sonst befürchten müßte, daß ein Mißbrauch damit getrieben wird.
Da mehrere meiner hiesigen Bekannten zu der Ausstellung nach London reisen,3 so werde ich einem von ihnen4 den Auftrag geben, Sie aufzusuchen, und mir unterdem das Geld oder die Partitur zurückzubringen.
Was sagen Sie zu unsern deutschen Zuständen, und besonders zu den Hessischen? Ist es nicht völlig zum Verzweifeln? Wäre ich nicht zu alt, ich würde augenblicklich mit den Meiningen auswandern; so muß ich aber leider aushalten. Doch hoffe ich es noch zu erleben, daß das deutsche Volk nochmals seine Ketten abwirft und seine demoralisirten Fürsten zum Lande hinausjagt! -
Um unserm Unmuthe nicht zu erliegen, musiciren wir fleißiger wie je. Auch habe ich wieder allerley Neues komponirt, was ich Ihnen gern einmal zu hören geben mögte. Können Sie sich denn nicht einmal auf einige Wochen von Ihren dicken Partituren losreißen, und uns noch einmal besuchen? Es würde uns unendliche Freude machen!
Von der lieben Margareth habe ich vor nicht langer Zeit ein Briefchen5 aus Dresden erhalten. Die ganze dortige englische Colonie befindet sich wohl, und gefällt sich sehr daselbst. Wir hoffen, daß sie im Sommer wieder sämtlich nach Cassel kommen werden. Seit Herr Whittle fort ist, fehlt es mir an einem würdigen Gegner im Billardspiel. -
Leben Sie wohl und grüßen Sie Ihre Kinder auf das herzlichste von uns.
Mit inniger Freundschaft stets ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Taylor, Edward
Erwähnte Personen: Taylor, Margaret
Whittle, James
Williams, Thomas
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Jahreszeiten, op. 143
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Grand National Concerts <London>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1851031004

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Taylor an Spohr, 25.03.1850. Taylor beantwortete diesen Brief nach 12.05.1851. Zuvor überschnitt sich der Postweg dieses Briefs mit dem von Taylor an Spohr, 11.04.1851.
 
[1] Thomas Williams an Spohr, 21.10.1850.
 
[2] Spohr an Williams, 01.10.1850.
 
[3] Hier ein Wort gestrichen.
 
[4] Korrigiert aus „Ihnen“.
 
[5] Noch nicht ermittelt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.12.2019).