Autograf: Abschrift 1 zufolge ehemals im Besitz von Franz Peters-Marquardt
Abschrift 1: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. 1.9 <Scheler 18510226>
Abschrift 2: Landesbibliothek Coburg (D-Cl), Sign. PM-VII/III,23

Cassel, den 26. Februar, 1851

Hochverehrter Herr Justizrath,

Ihre geehrte Zuschrift und deren Inhalt haben mich so sehr interessirt, daß ich es wahrhaft beklagen muß, nicht auf Ihre Wünsche eingehen zu können. Mein Beruf ist, wie Ihnen bekannt sein wird, die Leitung der hiesigen Oper, und sie nimmt so sehr alle meine Kraft und Zeit in Anspruch, daß ich nur in günstigen Perioden zu eigenen Arbeiten gelangen kann, die noch fortwährend, so sehr ich auch im Alter vorgerückt bin, in Vocal- und Instrumental-Kompositionen bestehen. Außer meiner Ferienzeit im Monat Juli, wo unser Theater geschlossen wird, kann und darf ich mich nicht (selbst nicht auf einen Tag) von hier entfernen, und es wäre mir daher völlig unmöglich vor jener Zeit zu Ihnen zu kommen. Wäre dies Hinderniß aber auch zu beseitigen, so fände sich doch noch ein viel größeres in dem Umstand, daß mir für Ihre Mittheilungen die Vorkenntniße fehlen. Ich war von frühester Jugend an praktischer Tonkünstler und habe mich mit der Theorie der Kunst nur in so weit befaßt, als Sie zu meinen Kompositionsarbeiten unerläßlich war. Ich weiß daher sehr gut daß mir für Ihre Forschungen und Entdeckungen das Verständnis fehlen, und ich außer Stande seyn würde, in Ihre Ideen einzugehen. Mit großen Bedauern muß ich daher aussprechen, daß ich mich für Ihre Mittheilungen nicht geeignet finde, und den Wunsch hinzufügen, daß Ihnen in Betracht der Wichtigkeit Ihrer Entdeckungen bald gelingen möge, eine geeignete Persönlichkeit dafür aufzufinden.
Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr
ergebenster
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Scheler, Ferdinand
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1851022617

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Scheler an Spohr, 22.02.1851.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.07.2020).