Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochverehrter Herr Hofcapellmeister!

Die große Pietät, welche ich von jeher für Ihren schätzenswerthen Genius gehegt, hat sich durch Ihre gütigen Schreiben an mich auch in dem Maaße auf Ihre Persönlichkeit erstreckt, daß Sie es genigtest zu entschuldigen wissen werden, wenn ich Sie wiederum durch einige Zeilen belästige.
Es ist einmal das Loos hochbegabter Menschen, daß sie durch ihre reichen Strahlen zur Erwärmung mitfühlender Seelen beitragen sollen. Gewiß ein herzlicher Beruf! - welchen Sie, hochverehrter Herr! selbst auf Ihre späteren Tage unverdrossen und wie nur selten – hochzuschätzen wissen. Nehmen Sie daher aus weiter Ferne meinen tiefgefühlten, innigen Dank für Ihre gütigen Zeilen, Ihre Bemühung und die in meine Hand durch Sie niedergelegten, werthvollen Beilagen!
Möchte der Himmel Ihren Lebensabend durch freundlichere Umgebungen bald erhellen und das schöne Cassel, welches Natur und Kunst gemeinsam zu einem wahren Musensize bezeichnent, von dem stärkenden Unfrieden erlösen! - Für einen schaffenden Genius wirkt gewiß nichts lähmender wie, als politische Parteikämpfe, welche gestig und körperlich aufreibend, die Umgebung gefesselt halten.
Das unseelige Jahr 48 hat unserm großen gemeinsamen Vaterlande, den Regenten und den Völker bis dahin1 nur kranke, unreife Früchte gebracht, welche durch Überstürzung auf der einen oder anderen Seite hin nicht zu unserem Heile zeitigen konnten. - Vielleicht schenkt uns der Frühling dieses Jahres jenen ersehnten Frieden, welcher von dem intelligenteren Theil der Nation stets sehnlich angestrebt ist, damit Kunst und Wissenschaft mit neuer Kraft erblühen können und der Wohlstand der Länder nicht gefährdet bleibt.
Sie belieben, hochverehrter Herr! in Ihrem werthen Schreiben vom 19ten zu äußern: daß Sie über manche Gegenstände meines letzten Briefes sich gern mündlich mit mit unterhalten möchten. - ich würde die vielleicht einstmalige Verwirklichung dieser mir hierdurch erzeigten Ehre für das gröeste Glück ansehen, welches ich zu anzustreben bemüth war. - Verhältnisse fesseln mich aber dauernd an mein Gut, dem selbst der vage Sinn für Alles Schöne, welche über Zeit und Raum hier weggeht, haben es bis jetzt nicht vermocht, selbiges zu überwinden. - ich bin unverheirathet, - meine bejahrten Eltern nehmen wohnen bei mir, und so lange sie der Himmel mir am Leben erhält, will ich nicht von ihrer Seite weichen. dieses zu meiner Rechtfertigung für die mich so ehrende Aufforderung.
Daß Sie sich, hochverehrter Herr! um ein Autograph von Beethoven für mich noch anderweitig bemüht haben, ist mir (so gern ich auch ein solches durch Ihre gütige Hand erhalten hätte) aber dieser Ihrer Bemüung wegen schmerzlich gewesen. Die weiteren mir zugesendeten Schriftstücke sind mir schon theuer und werthvoll genug und werden besonders noch durch die Persönlichkeit des großen Meisters und gütigen Gebers erhöht. -
Mendelssohn, Spontini, Haydn, Rossini und überhaupt alle Componisten und Künstler fremder Länder fehlen in meiner Sammlung noch. - ich erlaube mir diese Namen nicht zu nennen, um Sie, hochverehrter Herr! etwa von Neuem mit deren Erlangung zu bemühen; sondern wenn sie zufällig unter Ihren entbehrlichen Briefen vorhanden, um deren Übersendung ganz ergebenst zu bitten: - In dem weiteren Bereiche der Kunst ist meine Sammlung noch sehr arm, der ich sonst keine auswärtigen Verbindungen weiter habe; und werde ich jedes Blättchen welches mir durch Ihre Güte noch fernerhin bestimmt wird, mit dem wärmsten Danke aufnehmen.
Genehmigen Sie schließlich, hochverehrter Herr Hofcapellmeister! die Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung und Ergebenheit

Minden
Gutsbesitzer auf Ziegelhof bei
Königsberg in Preußen.

Zghf. d. 27 Janr. 51.

Autor(en): Minden, David
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Beethoven, Ludwig van
Haydn, Joseph
Mendelssohn Bartholdy, Felix
Rossini, Gioachino
Spontini, Gaspare
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1851012748

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Minden, 19.09.1851.

[1] „bis dahin“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.08.2017).