Autograf: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (D-LEsm), Sign. A/4665/2005

Cassel den 19ten Januar
1851.

Hochgeehrter Herr,

Schon längst hätte ich Ihr geehrtes, so höchst interessantes Schreiben beantwortet, hätte ich nicht zugleich Ihren Wunsch nach Handschriften berühmter Künstler in möglichster Ausdehnung befriedigen wollen. Nun fanden sich in der von mir aufbewahrten Correspondenz nur Briefe von zwei, der von Ihnen genannten Künstler, nämlich C.M. v. Weber1 und von Meyerbeer2, und doch hätte ich Ihnen so gern auch noch von Beethoven etwas gesandt. Ich schrieb deshalb an einen Freund3, der früher mit B. in Correspondenz gestanden hatte; doch ihm war‘s gegangen wie mir, er hatte die Briefe bereits an Verehrer Beethoven‘s abgegeben. Ich konnte das freilich aber, da ich aus der Zeit, wo ich in Wien mit B. in freundschaftlichen Verhältnißen lebte, einen Canon von ihm besitze, den er mir für mein Album componirte und der, so weit ich weiß, in keiner weitern Abschrift vorhanden ist.4 - Da ich Ihnen allso nur zwei von den gewünschten Handschriften senden konnte, so habe ich noch einige andere Briefe jetzt lebender Künstler beygelegt, die Ihnen durch Ihr Werk gewiß schon bekannt seyn werden. Solte dieß mit Moritz Hauptmann vielleicht nicht der Fall seyn, so füge ich noch hinzu, da er früher mein Schüler, dann Geiger in unsrer hiesigen Hofkapelle war5 jetzt Cantor in der Thomasschule in Leipzig6 und nicht nur ein ausgezeichneter Komponist, besonders für die Kirche, sondern auch einer der größten jetzt lebenden Musikgelehrten ist, sogleich ein würdiger Nachfolger J.S. Bach‘s.7 - Auch lege ich die Handschrift eines jungen Dichters bey, der in neuester Zeit mit seinen dramatischen Arbeiten Aufsehen erregt, nämlich vom Verfasser der „Deborah“ S.H. Mosenthal, aus Cassel gebürtig, jetzt in Wien wohnend.8 -
Sollte es mir gelingen noch etwas von Beethoven aufzutreiben, so werde ich es Ihnen nachsenden.
Ihr liebes Schreiben berührt noch manche Gegenstände, über die ich mich gern einmal mündlich mit Ihnen unterhalten mögte; sie aber in der nöthigen Ausführlichkeit schriftlich abzusondern, dazu fehlt es mir bey meinen vielen Berufsgeschäften theils an Zeit, theils bey der traurigen Lage, in der sich jetzt das arme Hessen befindet, an der dazu9 nöthigen ruhigen Stimmung.
Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr
ergebenster
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Minden, David
Erwähnte Personen: Bach, Johann Sebastian
Beethoven, Ludwig van
Hauptmann, Moritz
Meyerbeer, Giacomo
Mosenthal, Salomon Hermann
Weber, Carl Maria von
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1851011918

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Minden an Spohr, 27.12.1850. Minden beantwortete diesen Brief am 27.01.1851.

[1] Noch nicht ermittelt.

[2] Noch nicht ermittelt.

[3] Spohr an Moritz Hauptmann, 09.01.1851.

[4] Faksimile des Kanons in Louis Spohr, Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 1, Kassel und Göttingen 1860, Anhang. Das Original wurde gemeinsam mit 104 weiteren Albumblättern 1927 versteigert (Autographen aus verschiedenem Besitz, darunter Sammlung Friedrich Wilhelm Jähns II. Teil, Sammlung Wilhelm Ludwig Holland, deutsche Kaiser, Haus Brandenburg, allgemeine Geschichte, Musik und Kunst, Literatur und Wissenschaft. Versteigerung 24., 25. November 1927 (= Katalog Henrici 125), Berlin 1927, S. 77).

[5] „war“ über der Zeile eingefügt.

[6] Hier gestrichen: „ist“.

[7] Dieser Brief ist bisher nicht identifiziert und vermutlich derzeit verschollen.

[8] Dieser Brief ist bisher nicht identifiziert und vermutlich derzeit verschollen.

[9] „dazu“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (31.07.2017).