Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

St. Georgen, Amt Hornberg, den 24ten Dezember
1850.

Hochzuverehrender Herr!

In Ihrem lezter'n Schreiben vom 2ten October d. J., für welches ich Ihnen meinen herzlichsten Dank ausspreche, haben Sie mir zur Unterstüzung in meinen musikalischen Studien, Ihren fernern' Rath und Beistand zuzusichern die Güte gehabt.
Es naht sich nun eine Zeit, welche mir Hoffnung gibt, daß ich von zwei Seiten her, auch einer materiellen Unterstüzung theilhaftig werden könnte.
Ich habe nämlich aus dem 12ten Jahresbericht1 des Verwaltungs-Ausschußes der Mozartstiftung zu Frankfurt gesehen, daß der seitherige Stipendiat, Herr Bischoff, seine umfängliche Ausbildung vollendet hat, und daß nun das 3te Stipendium zur Vergebung ausgeschrieben werden wird.2
Ebenso existirt im Großherzogth. Baden ein Fond zur Unterstützung von Kunst und Wissenschaft.3 Alle Badenser, welche Zeignisse beibringen können, daß sie in irgend einer Kunst, vorzügliche Anlagen, mit musterhaftem Fleiße entwickeln, und schon bedeutende Fortschritte gemacht haben, können beim Großherzogl. Ministerium des Inner'n zur Bewerbung zugelaßen werden; Ihrer Bittschrift müssen aber Arbeiten, nebst der Beglaubigung beigelegt werden, daß sie Produkte des Petenten sind. Ich bin nun gesonnen, um diese erledigten Stipendien zu kommpetiren, um vielleicht das eine oder das Andere zu erhalten.
Damit dies mit Erfolg geschehen kann, sende ich Ihnen meine neueren Kompositionen zur gefälligen Durchsicht, um demnach ermessen zu können, ob ich jene Eigenschaften besize, welche meine Zuläßigkeit zur Bewerbung bedingen.
Sollten Sie mich für bewerbungsfähig erachten, so bitte ich Sie, mir ein Zeugniß4 auszustellen, welches sich über meine musikalischen Fähigkeiten und Fortschritte ausspricht, und namentlich auch jene Punkte über die oben unterstrichenen Stellen berührt.
Die Dringlichkeit der Sache, so wie mein sehnlicher Wunsch auf Erhaltung einer Unterstützung zum Behufe meiner musikalischen Ausbildung, sind die Ursachen, daß ich Sie so bald wieder belästige. Nicht mindere Schuld daran trägt auch der bevorstehende Jahreswechsel, welcher mir die freudige Gelegenheit darbietet, Ihnen meine aufrichtigen Wünsche für Ihr stetes Wohlergehen und Ihr ferner glückliches und langes Leben darzubringen.
Indem ich Sie schließlich bitte, mit Ihrer gütigen Beurtheilung, und dem erbetenen Zeugniße die beifolgenden Kompositionen, da ich dieselben nur einmal geschrieben habe, gefälligst zurücksenden zu wollen, geharre ich in Hochachtung und Liebe

Euer Hochwohlgeboren
ewig dankbarer
F. Keppner.

N.S. Die beifolgenden Kompositionen sind nach ihrer Entstehung chronologisch geordnet.

Autor(en): Keppner, Franz Joseph (Sohn)
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bischoff, Kaspar Jakob
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Mozartstiftung <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1850122446

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Keppner, 02.10.1850. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] „Zwölfter Jahresbericht des Verwaltungs-Ausschusses der Mozart-Stiftung an den Liederkranz dahier über Bestand und Fortgang der Mozart-Stiftung in dem Geschäftsjahr 1849 auf 1850“, in: Didaskalia 21.12.1850, nicht paginiert.

[2] Zu dieser Ausschreibung – das Stipendium ging an Max Bruch – vgl. Ulrike Kienzle, Neue Töne braucht das Land. Die Frankfurter Mozart-Stiftung im Wandel der Geschichte (1838-2013) (= Mäzene, Stifter Stadtkultur 10), Frankfurt am Main 2013, S. 105-129.

[3] Vgl. „Verfügungen und Bekanntmachungen der Ministerien. Die Unterstützungen aus dem Fond für Künste und Wissenschaft betrettend“, in: Großherzoglich Badisches Regierungsblatt 46 (1848), S. 26f.

[4] Dieses derzeit verschollene Zeugnis lag vermutlich Spohrs ebenfalls verschollenem Antwortbrief bei.

Kommentar und Verschlagwortung, sofern in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Wolfram Boder (25.09.2019).