Autograf: Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main (D-F), Sign. Mus. Autogr. A. Schmitt A 156

Hochgeehrter Freund!
 
Da der Dissonanzen so viele im Leben sind, und man sich jetzt kaum davon zu flüchten weiß, so freut es mir um so mehr, etwas Besseres, etwas weit Schöneres für heute berichten zu können, denn es drängte mich schon seit ehegestern Abend, auch Ihnen mitzutheilen.
Ehegestern wurde Ihre Jessonda hier aufgeführt1, und ich kann Ihnen sagen: daß Alles warm und begeistert war, welches in der jetzigen Zeit, wo man sich so entsetzlich gedrückt fühlt, wirklich viel – sogar etwas unerhörtes ist. Die Aufführung dieses Achtung gebietenden Werkes, war wirklich sehr gut, und Frau Anschütz2 vorzüglich war so ausgezeichnet, daß ich mir kaum denken kann, wie manche Stellen wenigstens vollendeter gesungen und gegeben werden können, ohne dabi nicht gesagt haben zu wollen: daß diese ihre Rolle im Allgemeinen nicht durch weg meisterhaft ausgeführt habe. Vortrefflich! Manche Momente waren wirklich hinreissend von ihr, so wohl im Gesang, wie im meisterhaften Spiele.
Auch kann ich die Geschicklichkeit u. den guten Willen u den außerordentlichen Fleiß u. Umsicht des H. Cap. Schildelmeiser nicht genug hervorheben und anerkennen. Einige Momente in der Oper waren so geistreich – durch passende Gruppen – angeordnet, daß die prachtvolle Instrumentirung wirklich einen magischen Eindruck hervor brachte, und ich muß gestehen, daß mir dieser Abend erst das Werk so recht erschloß. Und das ist es, was ich Ihnen für heute zu sagen haben. Möge es Ihnen doch einen so angenehmen Eindruck3 machen, als es mich durch und durch erfüllt hat mit Hoffnung u. Verehrung, mit der ich stets verbleibe
Ihr ergebener
 
Freund Aloys Schmitt.
 
Frankfurt d. 21sten November
1850.
Abends spät.

Autor(en): Schmitt, Aloys
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Capitain-Anschütz, Elise
Schindelmeißer, Louis
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Erwähnte Institutionen: Stadttheater <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1850112145

Spohr



Der letzte überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Schmitt, 02.09.1849. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schmitt an Spohr, 25.07.1851.

[1] Die Aufführung war am 18.11. (vgl. „Theater-Anzeige“, in: Didaskalia 18.11.1850, nicht paginiert).
 
[2] Elise Capitain-Anschütz.
 
[3] „Eindruck“ über der Zeile eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (23.02.2018).