Franz Joseph Keppner an Louis Spohr in Kassel

St. Georgen, Amt Hornberg, auf dem
Schwarzwalde, den 22^ten September 1850.

Hochwohlgeborener
Hochzuverehrender Herr!

Durch Ihren wohlwollenden, väterlichen Brief vom 19^ten Februar d.J.¹ ermöglicht, habe ich den mir von Ihnen gütigst ertheilten Rathschlägen genau nachzukommen mich bemüht.
Ich betrachte es als eine Art der Dankbarkeit, Ihnen in beifolgenden Kompositions-Versuchen aus neuster Zeit, das Resultat meiner Bestrebungen, in dem von Ihnen angedeuteten Sinn, zur gefälligen Durchsicht vorzulegen.
Sollten Sie hierin einen erfreulichen Beweis meines musikalischen Fortschrittes erblicken, so wäre ich nicht allein hiedurch reichlich belohnt, sondern es wird im Gegentheile mein Eifer für die Tonkunst noch mehr angefeuert werden. Wenn ich mich aber in Beziehung auf Ihren Beifall täuschen sollte, so bitte ich Sie, dies meiner mangelhaften Ausbildung zuschreiben zu wollen.
Ich fühle diese Mangelhaftigkeit wohl selbst allenthalben, und mein sehnlichster und einziger Wunsch wäre, nur auf ein oder zwei Jahre unter der Hand eines tüchtigen Meisters zu stehen, oder ein gutes Konservatorium besuchen zu können, wozu mir jezt mein Vater auch gerne seine Erlaubniß ertheilen würde. Allein dies wird nur ein frommer Wunsch bleiben, so lange mir nicht das Glück einer fremden Unterstützung, zu deren Erlangung ich meine Hoffnung auf Ihre bekannte Humanität, und gewichtige Autoritaet zu bauen wage, zu Theil wird.
Indem ich mir schließlich die Freiheit nehme, Sie um eine gefällige Beurtheilung und um Ihre fernere Gewogenheit zu bitten, unterzeichne ich, mit der Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung und Verehrung
Euer Wohlgeboren

ergebenster
F. Keppner.