Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochgeehrter Herr Capellmeister!

Schon früher würde es meine Schuldigkeit gewesen sein, Ew. Hochwohlgeboren zu benachrichtigen, was seit meiner Abreise von Cassel aus mir geworden sey, wenn ich daran nicht durch so mancherlei Störungen, namentlich durch meine hiesige Einrichtung, so wie auch durch eine Reise und einen mehrwöchentlichen Aufenthalt bei meinen Eltern in Bückeburg, verhindert worden wäre. Ich bitte deshalb, mein langes Schweigen gütigst entschuldigen zu wollen.
Ich bin hier in Detmold als Hofmusicus angestellt, nachdem ich in einem Concerte, welches am 2ten Juli im Theater gegeben wurde, das 11te Concert und das Potpourri aus Jessonda vorgetragen hatte.1 Dieses unverdiente Glück habe ich, hochgeehrter Herr Capellmeister, lediglich Ihrer geneigten Empfehlung2 zu verdanken, so wie ich’s auch Ihnen allein zu verdanken habe, daß ich überhaupt fähig bin, meine jetzige Stelle zu bekleiden. Ich fühle mich daher gedrungen Ihnen hiermit meinen innigsten tiefgefühltesten Dank darzubringen. Ich werde stets eingedenkt seyn, was ich Ihnen, hochgeehrter Herr Capellmeister verdanke und würde mich glücklich schätzen, wenn mir irgend einmal Gelegenheit geboten werden sollte, dies auch durch die That und nicht allein durch Worte zu beweisen. Stets werde ich aufs eifrigste bewußt seyn, mich meines so hoch verehrten Lehrers würdig zu zeigen, und ewig werden mir die Stunden im Gedächtniß bleiben, in de[nen] es mir vergönnt war, dessen Unterricht zu genießen.
Nachdem ich meine Bestallung hier erhalten hatte, wurde mir zum Besuche meiner Eltern ein Urlaub von zwei Wochen bewilligt. In dieser Zeit hatte ich Gelegenheit in dem Brunnenorte Eilsen, ein Concert zu geben, in welchem ich das 11te Conzert, das Potpourri über irrländische Lieder und den Potpourri aus Jessonda spielte. Diese drei Concertstücke waren dort noch nie gespielt und gefielen daher um so mehr, auch von den Musikern kannte sie noch keiner.
Seit meiner Rückkehr hierher habe ich in den Sommerconcerten der hiesigen Capelle in einem bei Detmold gelegenen Kaffehause zuerst mitgewirkt und dadurch meinen Dienst angetreten. Diese Concerte sind jetzt beendigt und ich werde bis zum Anfang der Winterconcerte im October vorerst weiter keine dienstlichen Verrichtungen haben.
Indem ich schließlich viele Grüße des Herrn Capellmeister Kiel bestelle und nochmals meinen herzlichen Dank auszusprechen wage, verbleibe ich

Ew. Hochwohlgeboren
dankbarer Schüler
CLBargheer.

Detmold
d. 21sten Sept. 50.

Autor(en): Bargheer, Carl Louis
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bargheer, Christian
Kiel, August
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Konzerte, Vl Orch, op. 70
Spohr, Louis : Potpourris [über irische Lieder], Vl Orch, op. 59
Spohr, Louis : Potpourris [über Themen aus Jessonda], Vl Orch, op. 66
Erwähnte Orte: Detmold
Eilsen
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Detmold>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1850092140

Spohr



Das letzte erhaltene Schriftstück dieser Korrespondenz ist Spohrs Zeugnis für Bargheer, 18.06.1850. Der nächste zugeschriebene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Bargheer, 03.04.1856, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Bargheer an Spohr erschließen lässt.

[1] Vgl. H.G., „Aus Detmold“, in: Neue Zeitschrift für Musik 35 (1851), S. 36f.; Richard Müller-Dombois, Die Fürstlich Lippische Hofkapelle. Kulturhistorische, finanzwirtschaftliche und soziologische Untersuchung eines Orchesters im 19. Jahrhundert (= Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts), Regensburg 1972, S. 112.

[2] Spohr an August Kiel, 07.05.1850.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.03.2022).