Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Mein lieber Herr Kapellmeister!

Sie haben sich bei Empfang des Briefes meiner Mutter1, den Knoop Ihnen überbrachte, gewiß sehr gewundert, nicht auch ein paar Zeilen von mir zu finden. So sehr ich es auch bedauerte, war es mir doch unmöglich, zu schreiben, da Knoop hier ganz allein auf mich angewiesen war und ich daher mit dem besten Willen nicht so viel Zeit erübrigen konnte, ein paar Worte an Sie zu richten. Mit Vergnügen habe ich gehört, daß Ihre diesjährige Reise Ihnen einen so großen Genuß gewährt hat; ich konnte durch die Zeitungen stets Ihren Aufenthalt erfahren und Ihre Reiseroute verfolgen. Moscheles, der in Leipzig Ihre neue Symphonie gehört hatte2, war neulich auf einige Tage hier und konnte gar nicht genug davon erzählen; es thut mir noch immer leid, daß ich damals in Cassel verhindert war, der Probe beizuwohnen, die Sie davon hielten. Unsere Reise nach Paris ist jetzt ganz fest beschlossen und ich hoffe und glaube, daß das viele Gute, das ich dort zu hören bekommen werde, mir von großem Nutzen sein wird. Sie, lieber Herr Kapellmeister, haben aber fast täglich so viel Güte und Freundlichkeit für mich, daß ich nicht weiß, wie ich je diese große Schuld abtragen soll; so auch wieder bei dieser Gelegenheit, wo Sie mich mit so vielen und schönen Empfehlungen versorgen wollen. –
Mein Bruder3, der am ersten October mit seiner Militairzeit in Berlin fertig ist, wird dann hierher kommen, um Anfang November weiter nach Californien zu gehen, wo er sein Glück als Zimmermann versuchen will; so leid auch uns allen ist, daß wir ihn dann für so lange Zeit nicht wieder sehen hoffen, kommen wir doch nicht umhin, seinen Plan zu billigen, da es für jetzt doch gar zu traurig aussieht mit dem Baufache in Deutschland; überdies haben wir mehrere sehr nahe Verwandte da, die dort etabliert sind und ihm gewiß nach besten Kräften weiter helfen werden. Bitte, haben Sie die Güte, von mir einen herzlichen Gruß an Frau Kapellmeister zu bestellen und gedenken Sie zuweilen freundlich

Ihres
ganz ergebenen Schülers
Bernhard Hildebrand

Hamburg
den 28/8 50.

Autor(en): Hildebrand-Romberg, Bernhard
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hildebrand, Alexander
Hildebrand-Romberg, Bernhardine
Knoop, Huldreich
Moscheles, Ignaz
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Jahreszeiten, op. 143
Erwähnte Orte: Berlin
Kassel
Leipzig
Paris
Erwähnte Institutionen: Gewandhaus <Leipzig>
Hofkapelle <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1850082843

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Berhardine und Bernhard Hildebrand-Romberg an Spohr, 28.07.1850. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Berhard Hildebrand-Romberg an Spohr, 01.04.1851.

[1] Bernhardine Hildebrand-Romberg an Spohr, 28.07.1850.

[2] Tatsächlich schreibt Ignaz Moscheles über die Blattspielprobe von Die Jahreszeiten zu Spohrs Ehren am 24.06.1850: „Spohr […] dirigirte seine ,Jahreszeiten‘ würdig und sicher. Die Erfindung darin ist schwach, aber die Behandlung und Instrumentation so künstlerisch vortrefflich wie immer […] Contrapunktische Zusammenstellung der verschiedenen Motive beschäftigt den denken Künstler, erhebt ihn aber nicht, wie es ein gewisser Beethoven thut“ (Aus Moscheles’ Leben. Nach Briefen und Tagebüchern, hrsg. v. Charlotte Moscheles, Bd. 2, Leipzig 1873, S. 214f.; zur Probe vgl. auch Tagebucheintrag Marianne Spohr, 24.06.1850; Louis Spohr's Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 334).

[3] Alexander Hildebrand.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.02.2024).