Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Herrn Kapellmeister Dr. L. Spohr
Ritter pp
Wohlgeboren
Cassel.


Hochverehrter Herr Kapellmeister,

Ich heiße Sie in Ihrem freundlichen lieben Cassel recht herzlich willkommen, nachdem ich durch die Zeitung erfahren habe, daß Sie von Berlin aus direct dorthin zurück gekehrt sind, und benutze die erste freundliche Gelegenheit durch Herrn Knoop einige Zeilen an Sie zu richten. Ich bedaure recht schmerzlich Sie verehrter Meister nicht hier gesehen zu haben, da man von Berlin aus, Hamburg jetzt so schnell erreichen kann, hoffte ich im Stillen Sie würden uns auch einige Tage schenken, Sie würden uns dadurch unbeschreiblich glücklich gemacht haben.
Seit etwas über acht Tagen sind wir von unsrer Reise zurück gekehrt, und hat der Aufenthalt in Ems uns beiden, Bernhard und mir, sehr wohl gethan. Wir haben sowohl das Bad als auch den Brunnen gebraucht, und verspreche ich mir von der Nachwirkung noch den besten Erfolg. Bernhard war während des Gebrauchs des Brunnens recht angegriffen, und durfte wenig üben, ist er erst wieder kräftiger, läßt sich ja alles bald nachholen, selbst hier muß er jetzt noch 14 Tage Schwalbacher Brunnen trinken.
Auch meine Mutter1 ist mir bis Ems entgegen gekommen und wir haben angenehme 6 Wochen miteinander dort zugebracht, die uns durch Frau v. Gülich2 und Johannas3 Gegenwart noch lieber geworden sind.
Ich bereite mich schon einmal(???) wieder zu einer neuen weiten Reise vor, in sofern ich manchen Brief dazu zu schreiben habe, um mich mit den richtigen Empfehlungsbriefen zu versehen. Vor Hälfte October brauche ich aber nicht in Paris zu sein, da die Ferien des Conservatoirs erst Ende October vorüber sind. Ich fürchte daß Bernhards Aufnahme auch einige Schwierigkeiten verursachen wird, da Auber an der Spitze stehe, und ich noch nicht weiß durch wen ich an ihn empfohlen werden kann. So viel ich mich entsinne sagten Sie lieber Herr Kapellmeister daß Sie ihm nicht nah genug ständen, um mich ihm empfehlen zu können. Ich hoffe nun auf Meyerbeer, weiß aber noch nicht ob ich ihn im Septbr in Berlin, oder später in Paris finden werde. Sie haben ihn gewiß in Berlin gesehen, hätte Sie vielleicht zufällig gegen ihn meines Bernhards erwähnt?
Darf ich so frei sein, Sie an Ihr sehr gütiges Versprechen zu erinnern, mir einen Brief später an Halevy geben zu wollen, durch Sie empfohlen, wird auch er gewiß dazu beitragen meinen Zweck zu erreichen. Leider lebt Chopin nicht mehr, der mir seine Unterstützung zugesagt hatte, und mit allen Pariser Künstlern befreundet war. An Franchom bekomme ich einen Brief.
Von Whittles4 habe ich gute Nachrichten gehabt, Margareth5 ist seit 14 Tagen nach London gereist, um zunächst ihre Leute zu pflegen, zu deren Genesung wenig Hoffnung vorhanden ist. Wir hatten ein Rendez-vous am Rhein verabredet, doch ließ sichs nicht ausführen, da sich die course der Dampfschiffe unsern Wünschen nicht fügen wollten. Daß der Mrs Tay6 das Pyrmonter Bad so wohl bekömt, daß sie auf ist, und schon etwas Gehen kann, wird Sie beiderseits gewiß erfreuen.
Ich sehne mich unbeschreiblich nach Nachrichten vo[n Ihnen] und Ihrer sehr lieben Frau Gemahlin. Die kurzen Not[izen] einer Zeitung können nicht genügen, wo das Herz mehr verlangt, nachdem wir so lange in Ihrer lieben Nähe geweilt, ist es uns Bedürfnis zu wissen wie es Ihnen und Ihren Lieben ergeht. Der lieben Frau Kapellmeister sende ich heut meine herzlichsten Grüße, ohne direct mich an Sie zu wenden, Sie wird mich gewiß entschuldigen, könnte ich ihr doch nichts mehr schreiben und ist sie meiner innigen Liebe und Hochachtung versichert.
Mein Dinchen7 und Bernhard bitten Ihre Grüße freundlich aufzunehmen und Sie verehrter Herr Kapellmeister bitte ich, ein freundliches Wohlwollen zu erhalten

Ihrer
treu ergebenen und ewig dankbaren
Bernhardine Hildebrand
geb Romberg

Hamburg d 28t July 1850.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hildebrand-Romberg an Spohr, 05.06.1850.Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Anna Catharina Romberg.

[2] Henrici Wilhelmine von Gülich (vgl. Emser Kurliste (1850), S. 39; Casselsches Adreß-Buch (1850), S. 90).

[3] Vermutlich Tochter der Vorigen.

[4] Kate und James Whittle.

[5] Kate Whttles Schwester Margareth Taylor.

[6] Sic! Da Hildebrandt-Romberg unmittelbar vorher die Familie Whittle-Taylor erwähnt, vermutlich ein älteres Mitglied der Familie Taylor.

[7] Ihre Tochter Bernhardine, später verh. Schmidt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.07.2024).