Autograf: Spohr Museum (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.2 <18500624>
Beleg: Autographen. Historische Autographen, literarische Autographen, Musiker, Schauspieler und bildende Künstler, Stammbücher. Versteigerung am 20., 21. und 22. Oktober 1926 (= Katalog Liepmannssohn 48), Berlin 1926, S. 174f.

Montag d. 24 Juni 50
 
Hochverehrter Freund und Gönner!
 
So eben um 1 Uhr Mittags erhalte ich Ihren lieben Brief, und muß Sie einen grausamen Feind schelten, daß Sie uns noch 24 Stunden quälen, während wir uns zu morgen so bestimmt auf Ihr Eintreffen freuten. Ich versuche es noch mit diesem Briefe auf die Gefahr hin, daß er Sie nicht mehr trifft, denn er geht zwar heut Abend noch ab, der Güterzug aber, mit dem er heut nur noch expedirt werden kann, bleibt über Nacht in Görlitz liegen, so daß der Brief, wie ich höre, erst morgen Abend nach Leipzig kommt. Gibt man ihn bald ab, und Sie reisen doch wahrscheinlich erst Mittwoch früh in Leipzig ab, so können Sie ihn noch bekommen. Der Zweck dieser Zeilen ist, Sie zu beschwören, daß Sie ja Mittwoch Abend hier eintreffen, weil ich sonst in Angst gerathen würde und hier schmählich blamirt wäre. Ich muß hier zum Verräther werden und Ihnen schreiben, daß Mittwoch Abend 10 Uhr sich alles freudig vereinen wird, Ihnen eine Abendmusik nebst Fackelzug zu bringen. Der Zug, mit dem Sie ankommen, trifft schon Abends 7 Uhr ein, Sie haben daher Zeit genug sich’s bequem zu machen, und dann später die Ihnen dargebrachte Huldigung entgegenzunehmen. Alles ist so vorbereitet, daß ich es, ohne bedeutende Umstände nicht zurücknehmen kann; auch ist es in der ganzen Stadt schon zu sehr bekannt. Treffen Sie Mittwoch Abend nicht ein, so trifft mich der Schlag, und das werden Sie nicht wollen. Morgen ist eine große Probe in der Aula vom Vater unser; Sinfonie in c moll und Ouvertüre aus Faust habe ich auch schon 3 mal probirt, so daß es hoffe ich gut gehen wird; dann halten Sie noch 2 Generalproben. Die Musikaufführung ist schon seit mehreren Tagen öffentlich angezeigt, und Alles, Alles wartet nur auf Sie.
 
Also auf Mittwoch Abend
Bis dahin
Ihr ergebener
Hesse

Autor(en): Hesse, Adolph
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Faust
Spohr, Louis : Sinfonien, op. 78
Spohr, Louis : Vater Unser, WoO 67
Erwähnte Orte: Breslau
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1850062431

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Hesse, 23.06.1850. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hesse an Spohr, 06.10.1850.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.04.2016).