Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287


Sr. Wohlgeboren
Herrn Generalmusikdirector Dr. Spohr.
in
Hessen-Cassel

fr.1


Hochverehrtester Herr Generalmusikdirector!

Ihre glückliche Wiederherstellung habe ich zu meiner großen Freude und Beruhigung durch die Utrechter Musikalischen Zeitung2 vernommen. Hoffend daß der Unfall keine nachtheilige Folgen für Ihre Gesunheit haben möge, wünsche ich Ihnen zu Ihrer Genesung von Herzen Glück! Bei der ersten Nachricht von dem Ereigniß war ich so sehr verschreckt und ganz außer mich3, wie ich mich nun beruhigt und erfreut fühle.
Zu Ihrem dießjährigen Geburtstage sende ich Ihnen doppelt meine allerherzlichsten Glückwünsche. Möchten Sie in voller Gesundheit und Lebenskraft für die Kunst fortwirken, wie man es von Ihnen gewohnt ist und Ihre herrlichen erhabenen Gedanken der Nachwelt über machen! Unsterblich haben Sie sich längst durch Ihre großen, vortrefflichen u genialen Werke gemacht und Milionen Menschen haben sich bereits daran erfreut und Milionen andere werden sich daran erfreuen und dankbar an den Schöpfer demselben danken! Ja Herr Generalmusikdirector Sie können mit vollem Recht zu sich selbst sagen, daß Sie mächtig dazu beigetragen haben die Musik auf die hohe Stuffe zu stellen, wo sie gegenwärtig steht. Gar gern möchte ich wissen ob Ihre Biographie bereits beendet ist und im Druck erschien? Ich bin sehr gespannt darauf und ich verlange mit Sehnsucht danach. Auch möchte ich gern wissen was Sie in der letzten Zeit componirt haben und womit Sie sich gegenwärtig beschäftigen? Welches Oratorium am Charfreitage aufgeführt ist und ob meine Ihnen gewidmete Ouverture in Cassel aufgeührt ist, wie sie aufgenommen ist u was Sie nach Anhörung derselben davon halten? Noch möchte ich Sie gar sehr bitten mich durch Hr. J. Bott oder Hr. Görtelmeier wissen zu lassen was die Abschrift der Ouverture-Partien kostet, denn meine Meinung war, diese dem dortigen Commité für die Wittwen-Casse als ein kleines Souvernir zu übermachen.
Unsere Winter-Concerte sind nun wieder zu Ende. Von fremden Künstlern von Namen haben wir Hr. Leonard (Violin) und Hr. Mortier de Fontaine (Piano) gehabt und beide haben mir großen musikalischen Genuß verschafft u angenehme Unterhaltung. Ich selbst habe hier in diesem Winter 3 mal solo gespielt; Manches componirt und mich besonders in der letztern Zeit mit der Englischen Sprache beschäfftigt und es jetzt soweit darin gebracht, daß ich ein nicht zu schwieriges Buch wohl lesen u verstehen kann.
Von Hr. Meyerbeer an dem durch das hiesige Concert-Commitie ein Compliment über seinen Prophet geschrieben wurde, (auch Scriebe4 erhielt einen Brief) aus der Ursache daß der 1t Act hier in der Nähe von Dordrecht spielt, haben wir einen sehr artigen Brief und später auch die Piano-Partitur als Geschenk erhalten. Ich habe diese Oper kürzlich in dem Haag gehört u sie hat mir ziemlich wohlgefallen. Man findet von Allerlei darin u viel gemachte(?) Musik. Doch giebt es besonders im 4t u 5t Acte gute Effecte. Daß Sujet halte ich für wenig poetisch.
Wir werden in diesem Sommer eine Art von Musikfest hier haben, aber leider ist es von – Harmoniemusikchören u alle Dilettanten. Ich habe eine große Fantasie für Militair-Musik geschrieben und dem König gewidmet der sie sehr wohl aufgenommen hat u diese soll mit zu obigen Feste dienen.5 So gern wünschte ich daß meine Ihnen gewidmete Ouverture im Verlag heraus käme. Wissen Sie lieber Herr Generalmusikdirector keinen Verleger mit dem ich in Unterhandlung6 treten könnte in der ich vertrauen kann? Ich bitte Sie gar sehr sich dafür interessiren zu wollen, es würde mir hier viel nützen und es würde mir neuen Muth machen fortzuarbeiten. –
Mit der Bitte mich Frau Generalmusikdirector bestens zu empfehlen und Hr. J. Bott zu größen, wünsche ich Ihnen Herr Generalmusikdirector herzliches Lebewohl, hoffend daß Sie mich mit einigen Zeilen glücklich machen, wenn Ihre kostbare Zeit es Ihnen gestatten sollte.

Mit unbegrenzter Hochachtung und Ergebenheit
Ihr gehorsamster
Ferdin. Böhme.

Dordrecht den 2t Aprill
1850.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 25.02.1850. Spohr beantwortete diesen Brief am 11.05.1850.

[1] Links oben auf dem Adressfeld befindet sich der Poststempel „DORDRECHT / 2 / 4 / FRANCO“, rechts oben der Stempel „DORDRECHT / 3 / 4 / [FRANCO]“, in der Mitte des Adressfelds „Francotout“.

[2] „[Het is door vele bladen bekend gemaakt]“, in: Caecilia <Utrecht> 7 (1850), S. 62.

[3] Sic!

[4] Eugène Scribe war Librettist von Le prophète.

[5] Vgl. „Dordrecht, den 17. September 1850“, in: Caecilia 7 (1850), S. 180.

[6] Hier gestrichen: „damit“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.10.2020).