Autograf: Stiftelsen Musikkulturens Främjande Stockholm (S-Smf), Sign. LTR 6084
Inhaltsangabe: Bonnie Lomnäs, Erling Lomnäs und Dietmar Strauss, Auf der Suche nach der poetischen Zeit. Der Prages Davidsbund. Ambros, Bach, Bayer, Hampel, Hanslick, Helfert, Heller, Hock, Ulm, Saarbrücken 1999, Bd. 1, S. 240

Ihrer Erlaucht
der Gräfin Elise Schlik
Ehrenstiftsdame
in
Prag.
Neue Allee No 6

frei.1


Hochverehrte Gräfin,

Nach einer langen angstvoll durchlebten Zeit ist es mir endlich vergönnt, Ihnen meinen innigsten Dank auszusprechen, sowohl für die freundliche Übersendung der Lieder, als auch für die gütige Theilnahme an meinem Unfalle, die sich in dem Schreiben an meine Frau kund giebt. Bey Ankunft des Paquets schwebte ich noch in Gefahr, in Folge der hefftigen Erschütterung beym Fall auf den Kopf eine Gehirnerschütterung zu bekommen, und nur den, Tag und Nacht fortgesetzten, Eisumschlägen mag ich es zu verdanken haben, daß diese Gefahr beseitigt wurde. Bald darauf zeigten sich jedoch Symtome, die nicht weniger beunruhigend waren. Es erfolgte 8 Tage nach dem Fall eine völlige Lähmung der ganzen linken Seite des Körpers, so daß ich in Arm und Bein alles Gefühl verlor, und beyde nur mit großer Anstrengung und unvollkommen bewegen konnte. Dabey plagten mich in den wenig langen Nächten die heftigsten Fieberphantasien, so daß ich lange an meiner Genesung verzweifelte.2 Noch 4 Wochen trat endlich Gott sey Dank! Besserung ein, und nun habe ich bereits seit 14 Tagen wieder meine Theatergeschäfte übernehmen können.3
Auch ist mein Kopf, in dem es noch immer sehr wüst war, nun wieder so frei geworden, daß ich hoffen darf auch meine Kompositionsarbeiten bald wieder beginnen zu können. – So habe ich denn endlich Ihre liebe Gabe näher prüfen, und mich an der Originalität der Lieder4 erfreuen können. Ich habe sie mit der Clavierbegleitung meiner Frau wiederholt durchgesungen und bereits recht liebgewonnen. – Nochmals den herzlichsten Dank dafür!
Meine Frau läßt sich angelegentlichst empfehlen. Mit inniger Hochachtung ganz

Ihr
ergebenster Diener
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Schlik, Elise
Erwähnte Personen: Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Schlik, Elise : Lieder, MezSopr Kl, op. 1
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1850031714

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Schlik an Spohr, 01.01.1850. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schlik an Spohr, 15.11.1850, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Spohr an Schlik erschließen lässt.

[1] Über dem Adressfeld befindet sich der Poststempel: „CASSEL / 17 / MAE. / 1850 / 5 6N.“

[2] Zur Erkrankung vgl. Spohr an Adolph Hesse, 21.03.1850.

[3] Vgl. „Von meinem recht bedenklichen Unwohlseyn in Folge des Falles, bin ich nun wieder hergestellt und werde von heute an wieder meine Theatergeschäfte beginnen“ (Louis Spohr an Wilhelm Spohr, 24.02.1850).

[4]  Diese Lieder waren Spohr gewidmet (vgl. As., Rez. „Lieder von der Gräfin E. Schlik“, in: Signale für die Musikalische Welt (1850), S. 393f.).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.06.2020).