Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.1 <18500308>
Beleg: Autographen. Historische Autographen, literarische Autographen, Musiker, Schauspieler und bildende Künstler, Stammbücher. Versteigerung am 20., 21. und 22. Oktober 1926 (= Katalog Liepmannssohn 48), Berlin 1926, S. 174f.

Sr. Wohlgeb.
dem königl. preußischen Mu-
sikdirector Herrn A. Hesse
in
Breslau.
 
frei.0
 
 
Cassel den 8ten
März 1850.
 
Geehrter Freund,
 
Mein Brief wird Sie in Bezug auf mein Befinden vollständig beruhigt haben; meine Frau hielt es daher nicht nöthig, Ihre unterdeß eingelaufene Anfrage sogleich zu beantworten. Nachträglich indeß noch meinen herzlichen Dank für Ihre freundliche Theilnahme!
Der Zweck dieses Schreibens ist eine Bitte. – Sie werden warscheinlich in Berliner Blättern gelesen haben, daß jene Nichte von mir, Rosalie, die 2te Tochter meines Bruders, des Baumeisters in Braunschweig, eine Kunstreise als Harfenvirtuosin macht, und im königstädter Theater an 3 Abenden mit großem Erfolg gespielt hat. Von dort kamen sie auf meine Einladung hieher und meine Nichte gab vorgestern hier im Theater ein sehr besuchtes Concert. Ihr Spiel, was ich seit 2 Jahren nicht gehört hatte, hat mich im höchsten Grade überrascht und ich kann mit aller Wahrheit versichern, im Leben noch nicht so gut die Harfe gehört zu haben, wobey ich meine selige Frau nicht ausnehme1, was gewiß viel sagen will.
In wenigen Tagen reiset mein Bruder mit ihr nach Leipzig, wo sie nächsten Donnerstag den 14ten spielen wird.2 Von Leipzig kehrt er noch einmal nach Berlin zurück, weil die königl. Familie den Wunsch geäußerst hat, meine Nichte zu hören, was wegen der Unpäßlichkeit des Königs beym ersten Aufenthalt nicht stattfinden konnte. Von Berlin aus mögte mein Bruder, ehe er nach Braunschweig zurückkehrt, auch noch Breslau besuchen, wenn der dortige Theaterdirector geneigt wäre, eben einen solchen Vertrag wie den Letzten wie des königstädter Theaters, mit ihm abzuschließen, nämlich ein 3maliges Auftreten der jungen Virtuosin im Zwischenakt für ein dritheil der Einnahmen. Herr Meier, der meinen Bruder zu einem Besuch in Breslau bereden wollte, sagte mir zugleich, daß Sie mit dem Director bekannt seyen, und es gewiß gütigst übernehmen würden, mit ihm zu reden und zu unterhandeln. Der Zweck dieses Briefs ist daher, Sie hierum zu bitten, so wie darum, daß Sie3 das Resultat meinem Bruder unter Adresse des Herrn Hauptmann, Cantor und Musikdirector an der Thomasschule, nach Leipzig, aber wenn möglich vor Ende der nächsten Woche gütigst4 melden wollen.
Von meinen Reiseplänen im nächsten Sommer habe ich Ihnen bereits im vorigen Briefe geschrieben. Ich schließe d[aher,] um so mehr, da ich mich ohnehin n[icht] auf lange von meinem lieben Besuch abmüßigen kann.
Leben Sie wohl. Wie immer Ihr
 
wahrer Freund
Louis Spohr.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Hesse, 21.02.1850. Hesse beantwortete diesen Brief am 03.04.1850.
 
[0] [Ergänzung 27.01.2022:] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „CASSEL / 8 / MAE / 1850 / 5-6N.“, auf der Rückseite des gefalteten Briefumschlags befinden sich drei weitere stark verwischte Stempel.
 
[1] Dorette Spohr.
 
[2] Eine andere Reihenfolge der Auftrittsorte gibt Louis Spohr, Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 333.
 
[3] [Ergänzung 27.01.2022:] „daß Sie“ über der Zeile eingefügt.
 
[4] [Ergänzung 27.01.2022:] Hier gestrichen: „zu“.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (21.04.2016).