Elise Schlik an Louis Spohr in Kassel

Hochgeschätzter Herr Kapellmeister!

Nehmen Sie die kleinen Lieder mit Güte auf, die ich Ihnen mit dem Ausdrucke der unbegrenztesten Verehrung übersende. Nur Ihre unendliche Freundlichkeit und Nachsicht für mich, konnte mich dazu ermuthigen. Zugleich wage ich eine kleine Ballade, wozu ich mir den Text selbst schrieb, und ein Lied, Text von Schuster(???), beyzulegen. Beides habe ich eben fertig gemacht, und bitte mir Ihr gütiges Urtheil darüber aus.
Ihr lieber Brief kam mir am heiligen Abend zu, und war mir eine überaus schöne und werthe Weihnachtsgabe!
Die letzten Dinge wurden von einem gemitschen Orchester Dilettanten und Militair-Musik gegeben, und obschon die Aufführung eines so erhabenen Werkes wohl vielen zu wünschen übrig ließ, so war es doch mit lobenswerthem Eifer von dm Direktor des Cäcilien Vereines, Herrn Abt einstudirt worden.¹ Von den Solostimmen war die Baßparthie durch den 2^t Gesanglehrer am Conservatorium, Herrn Vogel am besten besetzt. Die Chöre gingen ziemlich präcis. Wenn Sie mir es erlauben wollen, so werde ich über die Aufführung des Faust berichten, welche in 14 Tagen statt finden soll.² –
Bei dem nun beginnenden Jahre, hochgeschätzter Herr Doktor, drängt mich m ein Herz Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin des Guten und Lieben recht vieles zu wünschen – Gott erhalte Sie recht lange zur Freude Ihrer innigen Verehern – zum Frommen der hohen Kunst deren würdigster Repräsentant Sie sind!
Mit der innigsten Hochachtung zeichne ich mich
Herr Kapellmeister!

Ihre ergebenste
Elise G^rfin Schlik

Prag am 1^ten
Januar 1850

Darf ich Ihnen wohl einige Texte zu senden, welche sich für 2stimmige Lieder eignen könnten?