Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeboren
Herrn Dr Louis Spohr,
General-Musikdirector und
Hofkapellmeister
in
Cassel.

franco1


Hochgeehrtester Herr General-Musikdirector

In den ersten Tagen des verflossenen Monats October nahm ich mir die Freiheit die Partitur einer von mir componirten Symphonie mit der ergebensten Bitte um Ihre maßgebliche Meinung über dieselbe an Sie zu übersenden. Unterdessen habe ich nur zu viele Klagen über Nachläßigkeiten der hiesigen Post gehört, als daß ich nicht die Besorgniß hegen müßte, genannte Sache sey gar nicht an Sie gelangt. Diese Befürchtung schon einige Zeit in mir tragend, habe ich es nicht gewagt, Sie, hochgeehrtester Herr, früher mit einem Schreiben zu belästigen. Herr van Bree, Dirigent der Conzerte in Felix Meritis, war so freundlich, gestern Abend eine von mir componirte Ouverture aufführen zu lassen, der demnächst die Ihnen bekannte in C moll und dann die erwähnte Symphonie folgen sollen. Um nun nöthigenfalls zu Letzterer eine andere Partitur anfertigen lassen zu können, erlaube ich mir, überhaupt von Ihrer gütigen Nachsicht, Sie gehorsamst zu bitten, mich gütigst erfahren zu lassen, ob jenes Paquet in Ihre Hände gelangt ist. In dem gestrigen Conzert wurden zwei Ihrer Compositionen2 aufgeführt, was mich überaus glücklich machte. Beiden wurde meisterhaft executirt und entzückten das Auditorium. Nicht wenig war ich über Herrn Meyroos erstaunt, der, ein Schüler David‘s und vor anderhthalb Jahren erst von Leipzig zurückgekehrt, Ihr schwieriges Conzert mit einer merkwürdigen Ruhe und Sicherheit ganz ausgezeichnet vortrug.
Ich nehme mir die Freiheit, diesem ergebenen Schreiben ein Program des gestrigen Conzerts anzufügen.
Herr van Bree hat mir den angenehmen Auftrag ertheilt seine vielmahliche Empfehlung an Sie, hochgeehrtester Herr, zu überbringen. Ebenso läßt sich unseres ersten Tenoristen, Herrn Lehmann, Gattin, geborene Löw, früher in Cassel als Sängerin engagirt, Ihnen sehr empfehlen. Indem ich Sie, hochgeehrtester Herr General-Musikdirector, recht sehr um Verzeihung bitte, daß ich es wage, Ihre Güte so sehr in Anspruch zu nehmen, verbleibe ich
Mit der vollkommensten Hochachtung und Verehrung

Hochderselben
tiefergebenster
Ed. Kunz.

Amsterdam den 29t Dez. 1849.



Der letzte Brief dieser Korrespondenz ist Kunz an Spohr, 28.09.1849.

[1] Auf dem Adressfeld befinden sich die Poststempel: „AMSTERDAM / 30/12 / FRANCO“, „EMMERICH / 30 / 12 / V.“, „Franco tout“ und „D 2 / 2 1“.

[2] Spohrs Gesangszene op. 47 und Ouvertüre zu Alruna (vgl. „Amsterdam“, in: Caecilia 7 (1850), S. 17; „[Op het vijfde Concert der Maatschappij Felix Meritis]“, in: Algemeen Handelsblad 31.12.1849, nicht paginiert).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.12.2019).