Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr, L. 27
Druck: Herfried Homburg, „Politische Äußerungen Louis Spohrs. Ein Beitrag zur Opposition Kasseler Künstler während der kurhessischen Verfassungskämpfe“, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 75/76 (1964/65), S. 545-568, hier S. 567f.

Herrn
Hofkapellmeister
P. von Lindpaintner
Hochwohlgeb.
in
Stuttgart.
 
franco.
 
 
Cassel den 18ten Dec.
1849.
 
Hochverehrter Herr u. Freund,
 
Leider bin ich nicht im Stande, Ihre Anfragen, fördernd für Ihren Zweck, zu beantworten! Hier hängt die Art der Pensionirung der Hofdiener noch ganz von dem Belieben des Fürsten ab. Im Jahr 30, bey der ersten Revolution, wurde zwar1 von den constituirenden Ständen ein neues Staatsdienstgesetz geschaffen, in welchem die Pensionirung der Staatsdiener auf eine für sie günstige Art regulirt ist. Der vorige Kurfürst weigerte sich nun aber, es für die Hofdiener anzunehmen und so blieb es, im Bezug auf diese beym Alten. Ja die Mitglieder der Hofkapelle sind noch schlimmer daran, wie die übrigen Hofdiener. Ich veranstaltete nämlich bald nach meiner Hieherkunft (vor 26-27 Jahren,) daß die Einnahmen bey den, von der Kapelle gegebenen Winterconcerten, nicht mehr, wie bis dahin unter die Mitglieder vertheilt, sondern zu einem Unterstützungsfond gesammelt wurden, woraus die Wittwen der verstorbenen Hofmusiker, so wie die Pensionirten, wenn ihre Einnahmen nicht die Summe von 200 Rth. erreichen, unterstützt werden sollten. Der Kurfürst (sowohl der frühere, wie auch der jetzige) nahm diese Anstalt unter seinen Schutz und unterstützt sie, indem er seine Loge bey den Concerten ziemlich freigebig honorirt. Damit glaubte er nun aber alles gethan zu haben, und als zum ersten Mal einer der Hofmusiker dienstunfähig wurde, verweigerte er jede weitere Pension. Nach langem Solicitiren wurden endlich 100 Rth. Pension bewilligt, denen wir aus unserer Kasse noch 50 Rth. zulegten. Seit dieser Zeit habe ich jede weitere Pensionirung zu verhindern gewußt, indem ich die für die Oper Dienstunfähigen so lange bey den Schauspielmusiken, wenn auch oft nur scheinbar, mitwirken ließ, bis sie der Tod2 von der Pensionirung befreiete. Ein menschenfreundlicher Intendant hat mich dabey unterstützt, und so habe ich hier durchführen können, was in Gotha, wo ich 7 Jahr Kapellmeister war, als Norm galt, daß die, ohnehin so gering besoldeten Hofmusiker, ihren vollen Gehalt bis zum Tode behielten. - Seit der Märzrevolution ist nun neulich ein vornehmer Hofdiener3 nach den Bestimmungen des Staatsdienstgesetzes pensionirt worden, und es ist möglich, daß diese Bestimmungen nun auch für die Kapelle Geltung bekommen. - So lange der Intendant4 aber nicht hinderlich ist, werde ich es zu keiner Pensionirung kommen lassen. - Die Wittwen der bisher verstorbenen Musiker haben durch Fürsprache des Intendanten kleine Unterstützungen aus der Theaterkasse erhalten; die Hauptunterstützung erhalten sie aber aus unserer Kasse.
Das ist es, was ich Ihnen5 von hier über die fragliche Angelegenheit mittheilen könnte.
Mit wahrer Hochachtung und Freundschaft ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Lindpaintner, Peter von
Erwähnte Personen: Heeringen, Josias von
Wilhelm II. Hessen-Kassel, Kurfürst
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Gotha>
Hofkapelle <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1849121814

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Lindpaintner an Spohr, 14.12.1849.

[1] „zwar“ über der Zeile eingefügt.
 
[2] Hier anschließend wieder gestrichenes „sie“ über der Zeile eingefügt.
 
[3] Noch nicht ermittelt.
 
[4] Josias von Heeringen.
 
[5] Hier gestrichen: „über“.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.05.2018).