Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Leipzig, d. 6. Decbr. 1849.

Mein hochgeschätzter Herr Doctor,

Gestatten Sie mir, dem Unterzeichneten, der die Ehre Ihrer persönlichen Bekanntschaft gar nicht, gleichwohl aber die größte Hochachtung, Ihnen und Ihren herrlichen Tonschöpfungen stets mit hoher Freude gewidmet hat, nachstehende ergebene Frage:
In meinem Verlage ist eine Serie Büsten der ausgezeichnetsten Tonkünstler Deutschlands erschienen.1
(Ich habe mir nicht versagen können, Ihnen von den bereits in’s Publikum gekommenen ein Explr beigehend zuzusenden, und würde mich herzlich freuen, wenn Sie solchen ein Plätzchen gönnen wollten).
Daß in diesem Verein Ihr hochgefeierter Name nicht fehlen dürfe, halte ich für eine ernste Pflicht, welcher nachzukommen mir Freude und Genugthuung gewährt. --
Ich beabsichtige damit diese Serie zu vermehren und dann mit Haydn’s Büste, die bereits in Angriff genommen – zu schließen.2
Um nun aber diese kleine Büste in würdigster Art und ähnlichster Weise modelliren zu lassen, bedarf ich zunächst Ihre gütige Erlaubniß, um die ich hierdurch höftlichst nachsuche, dann aber einiger Mittheilungen, die Sie, hochgeschätzter Herr Dr., wohl allein zu machen, im Stande sein dürften. –
Von den Portraits, die als Hülfsmittel zum Modelliren dienen könnten sind mir 3 bekannt:
1) das Ihrer Violinschule beigegebene.3
2) das große, bei Th. Fischer in Cassel erschienene4; endlich
3) das von Hrn. Gehr. Schlick hier neuerdings gezeichnete5.
Ich bitte Sie nun hierdurch um Ihr eigenes Urtheil, welches dieser drei Portraits Sie Selbst für das Gelungenste und aehnlichste halten?
Dann ferner um gehörige Auskunft,
ob nicht bereits irgendwo eine gelungene Büste (gleichviel von welcher Größe vorhanden ist) und ob Sie mir in diesem Falle solche vielleicht zugänglich machen könnten?
Ich habe einen sehr geschickten Künstler dafür gewonnen, Herrn Bildhauer Knaur, derselbe, den Mendelssohn mit der Ausführung des Bach-Denkmals seiner Zeit beehrt hat. –
Jede Andeutung, jeder Wink, der mir zur Ausführung meiner angegebenen Absicht Mittel in die Hand giebt, ist mir theuer und willkommen. –
Erfreuen Sie mich daher so bald als es Ihre Zeit gestattet, mit einer gefälligen Antwort und sein Sie fest überzeugt, daß Ihnen die Erfüllung ihrer ergebensten Bitte stets hochachtend und dankbarst gedenken wird,

Ihr aufrichtiger und warmer Verehrer
C.A. Klemm

Autor(en): Klemm, Bernhard
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Knaur, Hermann
Mendelssohn Bartholdy, Felix
Schlick, Gustav
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Klemm <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1849120656

Spohr



Beim Autor des Briefs handelt es sich offensichtlich um den damaligen Inhaber der Firma C.A. Klemm: Bernhard Klemm (vgl. Handbuch für Leipzig (1848), S. 49).

[1] Vgl. „[Im Verlage von C.A. Klemm sind erschienen]“, in: Neue Berliner Musikzeitung 3 (1849), S. 72.

[2] Zwei Jahre später hatte Klemm zwar die erwähnte Büste von Haydn (sowie eine von Gluck), jedoch keine von Spohr im Angebot (vgl. „[Im Verlage von C.A. Klemm sind erschienen]“, in: Rheinische Musik-Zeitung 2 (1851), S. 552; „[Im Verlage von C.A. Klemm […] sind erschienen]“, in: Signale für die musikalische Welt 10 (1852), S. 341). Der erste derzeit bekannte Nachweis stammt von 1855 („[Im Verlage von C.A. Klemm […] sind erschienen]“, in: ebd., 13 (1855), S. 191).

[3] Vgl. Louis Spohr, Violinschule, Wien [1833], nicht paginiert.

[4] Druck des Porträts von Wilhelm Pfaff, Kassel [1849] (zur Identifikation des Zeichners vgl. Herfried Homburg, „Bildnisse Louis Spohrs. Eine vorläufige Bestandsaufnahme”, in: Louis Spohr. Festschrift und Ausstellungskatalog zum 200. Geburtstag, hrsg. v. Hartmut Becker und Rainer Krempien (= Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Ausstellungskatalog 22), Kassel 1984, S. 209-230, hier S. 218; der Druck ist freilich mit diesem Brief gegenüber dem dort genannten 1850 auf 1849 vorzudatieren).

[5] Der Druck von C.A. Klemm datiert Friedrich Gustav Schlicks (spiegelverkehrt reproduzierte) Zeichnung auf dem Druck auf 1855; ein späterer (richtig herum sowie detaillierter wiedergegeber) Druck datiert die Zeichnung auf 1848 (vgl. Homburg, S. 220).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.07.2022).