Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,282
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 341f. (teilweise)
Frankfurt 26 Nov 1849
Theurer Freund!
Ich trage Ihnen heute eine Bitte vor, durch deren Erfüllung Sie mir wahren Liebesdienst erzeigen würden.
Meine Tochter Antonia, die, wie Sie wissen, schon seit mehreren Jahren in London lebt und bei Taylors wohnt, fängt nachgerade an in Reputation zu kommen. Zeugniß giebt unter andern, die günstigen Beurtheilungen ihrer Leistungen in den öffentlichen Blättern, die ohne irgend eine Verwendung entstanden sind. Nun muß man aber und namentlich in England das Eisen schmieden, so lang es warm ist. Bei Ihrer jüngsten Anwesenheit bemerkte sie mir, daß Empfehlungen an hochstehende Personen sehr nothwendig sein um in London voran zu kommen. Ich verschaffte ihr unter andern Empfehlungsbriefen einen an den Herzog v. Cambridge. Aus ihrem beigelegten Schreiben werden Sie Ihr Anliegen ersehen.1 Ist es Ihnen nun möglich, ihren Wunsch zu erfüllen, und vielleicht direct an den Herzog zu schreiben, so könnte das auf ihre künftige Stellung von großem Einfluß sein und ich würde es mit dem lebhaftesten Dankgefühl erkennen. Im gewährenden Fall bitte ich den Brief an mich hieher zu schicken. – So viel darf ich Ihnen sagen, daß meine Tochter sehr bedeutende Fortschritte im Klavierspiel sowohl als in der Composition gemacht hat; sie hat uns vor einigen Wochen verlassen nachdem sie 3 Monate auf Besuch hier war. Schnyder von Wartensee, der jetzt mit seiner Frau hier lebt, war ganz hingerissen von ihrem Spiel u. ächt künstlerischer Auffassung. Und so werden Sie gewiß Ehre von Ihrer Empfehlung haben.
Was mich betrifft, so muß ich leider der Musik ganz entsagen. Ein nervöser Kopfreiz verhindert mich Abends Musik zu machen, ja zu hören. Geschieht letzteres einmal, so muß ich die folgende Nacht schlaflos zubringen. Es ist das ein wahre Unglück für mich! Den einzigen Trost finde ich darin, daß man so selten etwas Gutes zu hören bekömmt.
Erfreuen Sie mich recht bald mit Ihrer Antwort, empfehlen Sie mich u. die Meinigen Ihrer lieben Frau u. genehmigen Sie die Versicherung unwandelbarer Liebe u. Anhänglichkeit
von Ihrem treu ergebenen
WmSpeyer.
Herr Just wünscht die Stimmen zum Vater Unser.
Autor(en): | Speyer, Wilhelm |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Adolph Frederic Cambridge, Herzog Just, Johannes Schnyder von Wartensee, Franz Xaver Schnyder von Wartensee, Josephine Speyer, Antonie Taylor, Edward |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Vater Unser, WoO 70 |
Erwähnte Orte: | London |
Erwähnte Institutionen: | Liederkranz <Frankfurt am Main> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1849112632 https://bit.ly/ |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 28.08.1848. Spohr beantwortete dieser Brief am 29.11.1849.
[1] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.03.2016).
Frankfurt, 20. November 1849.
... Was mich betrifft, so muß ich leider der Musik ganz entsagen. Ein nervöser Kopfreiz verhindert mich, abends Musik zu machen, ja zu hören. Geschieht letzteres einmal, so muß ich die folgende Nacht schlaflos zubringen. Es ist das ein wahre Unglück für mich! Den einzigen Trost finde ich darin, daß man so selten etwas Gutes zu hören bekommt.