Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. N.Mus.ep. 2677

Herrn J.F. Schwenke
Organist an der St. Nikolai-
Kirche
in
Hamburg.

frei.


Cassel den 23sten
September 1849.

Geehrter Freund,

Vorgestern haben wir Ihr Werk, wie Sie aus beyliegender Affische1 ersehen werden, aufgeführt und zwar, wie ich selbst sagen muß in recht würdiger Weise! Der Chor2 sang rein und gut, der Organist3 führte seine Parthie ganz nach Ihrer Vorschrift aus und da wir zwei Proben in der Kirche machten, so konnte er die passendsten Register unserer Orgel (auf 3 Claviere vertheilt) für jedesmalige Begleitung auswählen und ausprobiren, und ich muß ihm zugestehen, daß er dabey alles geleistet hat, was das Instrument nur vermogte. Ganz vorzüglich waren die 5 begleitenden Blechinstrumente, die ihre Soli zart und vollkommen rein ausführten. Die Arie wurde von einer Diletantin, Frl. Decoudres die eine sonore und sehr kräftige Stimme besitzt, sehr beyfällig vorgetragen. Das Quartett des 2ten Theils ließ ich, des großen Raumes wegen, von 8 Stimmen singen. Auch dieses wurde vollkommen rein und mit genauer Beobachtung aller vorgeschriebenen Nuancen von Stärke und Schwäche vorgetragen. Nur der Chor, der etwa aus 80 Stimmen bestand, hätte bey einigen Stellen und namentlich beym Schlußchoral noch kräftiger seyn sollen, und ich werde, wenn wir das Werk wiederholen, alles was wir an Gesangskräften besitzen, alsdann zusammen zu bringen suchen. Es ist eine starke Besetzung des Chores um so nöthiger, da die Stimmlage eine sehr tiefe ist, und wir hier im Kammerton bleiben mußten, da die Orgel früher einen halben Ton höher, seit der letzten großen Reparatur ganz mit unseren Orchesterinstrumenten stimmt.– Was nun das Werk selbst betrifft, so ist es mir mit jeder Probe lieber geworden, und macht troz seiner großen Einfachheit (vieleicht aber eben deshalb,) einen großartigen und nachhaltigen Eindruck! Von besonders schöner Wirkung ist gleich in der Einleitung der Eintritt des Choralanfangs in den Blechinstrumenten. Es ist in dem Werke ein wahrer Schatz von schönen Harmoniefolgen und interessanter Stimmführung enthalten, besonders aber die figurirte Begleitung des letzten Chorals wahrhaft meisterhaft. Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank für die Freude, die Sie mir durch die Zusendung dieser gelungenen Komposition bereitet haben.
Unter den herzlichsten Grüßen an die lieben Ihrigen von meiner Frau und mir, stets mit wahrer Freundschaft ganz

der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Schwencke, Johann Friedrich
Erwähnte Personen: Descoudres (Frl., Kassel)
Rosenkranz, August
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Schwencke, Johann Friedrich : Lob- und Dank-Kantate, op. 40
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Cäcilienverein <Kassel>
Harmonie <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1849092313

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Schwencke an Spohr, 26.08.1849. Schwenckes Antwortbrief vom 12.10.1849 ist derzeit verschollen.

[1] Dem Brief liegt der Programmzettel des Konzerts bei, in dem Spohr am 21.09.1849 Schwenckes Kantate in der Kasseler Martinskirche aufführte.

[2]Cäcilienverein und Männergesangverein Harmonie.

[3] August Rosenkranz.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (11.12.2018).